vor fünf jahren starb meine mutter. oma und ich waren an ihrer seite.
einen menschen zu verlieren, hab ich mir sagen lassen, ist eine sache, die mutter zu verlieren, eine ganz andere sache.
oma hat mir immer wieder erzählt, wie schrecklich der tod ihrer mutter für sie war. berta, meine urgrossmutter habe im spital gelegen, schwer krank und man habe sie im geschäft angerufen, sie möge doch bitte noch vorbei kommen. oma bekam von ihrer chefin nicht frei, um ihre mutter ein letztes mal zu sehen. als oma feierabend hatte, rief man sie zuhause an. sie müsse jetzt nicht mehr kommen. ihre mutter sei tot.
als ich damals vor fünf jahren morgens um acht von der arbeit weg ins pflegeheim meiner mutter fuhr, war ich sehr froh, dass ich meinen vorgesetzten informiert hatte und einfach so gehen konnte. die fahrt durch den nebel war gespenstisch und ich hatte furchtbare angst, dass auch ich zu spät kommen könnte.
doch ich hatte mich getäuscht: meine mutter starb nicht. sie liess sich zeit. alle, die wollten, konnten sich von ihr verabschieden, obwohl sie schon nicht mehr ansprechbar war. und das beste war: oma konnte auch kommen. ich weiss nicht, was für ein gefühl das für oma war, am sterbebett ihrer tochter zu sitzen. ich bin mir jedoch sicher, dass sich vielleicht an jenem tag eine angst verflüchtigte: sie war nicht zu spät gekommen. sie konnte ihre hände halten und ihre tochter, der sie ihr leben gegeben hatte, gehen lassen.
heute, fünf jahre später, ist meine mutter für paula ein schönes gesicht auf einem photo. sie erinnert sich weder an ihr dasein, noch an ihren tod. jetzt erinnere ich mich für uns beide.