Feriengefühle

Das letzte Mal, dass ich Ferien hatte, war im Oktober des letzten Jahres. Ich machte Wanderungen, Ausflüge und besuchte die OLMA. Jetzt ist bald Juni und ich weiss gar nicht, ob es dieses Jahr eine solche Messe noch geben wird.

Ferien habe ich jetzt eigentlich nur, weil ich dachte, dass ich nächste Woche an die Jagdprüfung gehen würde. Ich habe viel gelernt und mich darauf gefreut, auf die Fragen der Experten gute Antworten zu geben.

Doch auch daraus ist nichts geworden. Die Prüfungen sind für dieses Jahr abgesagt. Das hat mich im März schon recht aus der Bahn geworfen, wohl weil ich so viel Energie ins Lernen und in die Besuche der Kurse gelegt habe. Es fiel mir leicht, denn ich lernte mit grosser Freude und Neugier. Dass ich mit einem Mal mit nichts mehr dastand, war für mich schwierig.

Die Natur war denn auch während des Shutdowns mein Trost: Ich nahm wahr, wie sich alles nach dem Winter wieder aufrappelt, wie die Bäume spriessen, die ersten Blumen erblühen. Dann die Apfelblüte, der Bluescht im Thurgau, die noch schöner erschien als all die Jahre zuvor, wie ich zum ersten Mal auf freier Wildbahn Hasen erblickte, wie ich Rehe nachts beobachtete und die verliebten Elstern in unserer Tanne. Ich habe unzählige wunderschöne Sonnenuntergänge fotografiert und mich an den blühenden Rosen und den zum ersten Mal erblühenden Iris in unserem Garten erfreut.

Ich ging arbeiten wie immer, darüber war ich dankbar. Die Sorge um die Menschen, die wir als Team begleiten, war gross. Es ist eben nicht einfach so, dass man in unserem Beruf nur für sich selber Verantwortung trägt. Das wurde mir sehr klar in den letzten Wochen.

Ich sorgte mich um meine Eltern. Das Gefühl, dass es ihnen nicht gut geht, dass sie auf sich alleine gestellt sind, beschäftigte mich stark. Mir fehlen unsere Umarmungen, unsere Gespräche am Küchentisch und ich fühle mich traurig, weil ich ihnen nicht so zur Seite stehen konnte, wie ich es wollte. Ich erinnerte mich daran, wie mein Vater und ich im Mai vor neun Jahren gemeinsam eine Krähe aufgezogen und auswildert haben. Wie mein Vater mir vor sechs Jahren gezeigt hat, wie ich eine Wiese von Hand und mit der Fadensense mähen kann. So viel ist passiert in kurzer Zeit.

Glücklich machen mich die Treffen mit den Menschen, die ich sehr schätze und während der letzten Wochen vermisst habe. Ich bin über mich selber erschrocken, wie sehr ich mich zurückgezogen habe. Bin das wirklich noch ich?

Die nächsten Tage werde ich viel schlafen und im Garten arbeiten, Sport treiben und einfach draussen sein. Ich freue mich.

Macht uns Corona zu besseren Menschen?

Die letzten paar Wochen waren für uns alle hart. Viele von uns haben menschliche Kontakte gemieden – und darunter gelitten. Ich bemerke beim Schreiben gerade, dass ich „uns“ und „wir“ sehr viel mehr gebrauche. Es scheint mir, dass zumindest beim Reflektieren jeglicher Egoismus für den Moment abgelegt ist. Schliesslich geht es jedem „in dieser schwierigen Situation“ gleich. Und doch nicht.

Wenn ich Menschen treffe, ich gebe zu, das fehlt mir nach wie vor schwer, fühle ich mich unbeholfen. Es scheint, als wäre ich aus der Übung, guten Freunden, meinen Eltern gegenüber zu sitzen. Darf ich jetzt die Hand geben? Oder doch lieber nicht? Was soll ich im Kontakt mit einem anderen Menschen tun, wenn ich diesen doch immer zur Begrüssung herzlich umarmt habe? Worüber sprechen?

Die letzten Wochen haben jeden von uns – schon wieder! – geformt. Die einen hatten wenig Arbeit, Angst um ihren Job, wiederum andere sind vor lauter Arbeit fast ersoffen. Andere wiederum haben x Wochen ihre Kinder zuhause gehabt, von zuhause gearbeitet. Erholung wie früher ist mit einem Mal ein Fremdwort.

Beeindruckt haben mich aber Aussagen wie „die Verlangsamung hat mir gut getan“ und „weniger Sitzungen – auch nicht verkehrt“. Zeigen sie nicht auf, dass zumindest das etwas Gutes an der ganzen schwierigen Phase in unser aller Leben war und ist? Wir Menschen sind offenbar nicht nur für Schnelligkeit und Stress gemacht. Es kann uns auch wirklich gut gehen, wenn es etwas entschleunigt zu und her geht.

Mühe macht mir nach wie vor die Tatsache, dass ältere Menschen in Pflegeheimen, Menschen mit Beeinträchtigung in Wohnheimen, Sterbende nur beschränkt Kontakt zu ihren Angehörigen haben können. Das ist in meinen Augen eine menschliche Katastrophe und es macht die ganze Chose nicht besser, wenn gewisse Menschen diese Personengruppen per se mit „die wären ja eh gestorben“ betiteln.

Ich vermisse den Kontakt zu meinen Eltern. ich möchte mit ihnen zusammensitzen, Kaffee trinken, zuhören, reden und ihnen einfach nahe sein. Gerade für Menschen mit einer Demenzerkrankung ist doch der menschliche Kontakt, die Nähe, die sinnliche Erfahrung des Gegenübers so wichtig.

Etwas anderes habe ich aber in den letzten Tagen auch noch erfahren: Die Corona-Situation macht viele von uns sensitiver. Noch selten zuvor habe ich mit Männern und Frauen so tiefe, persönliche und offene Gespräche geführt wie jetzt.

Jeden bewegt etwas: die Sorge um die eigenen, alten Eltern, das Bemerken des sich Fremdfühlens, das Wahrnehmen von Verunsicherung, Angst um den Arbeitsplatz, das Fehlen der Freunde.

Ich hoffe ganz fest, dass diese Kompetenz des Redens, ja des Aussprechenmüssens weiter anhält, denn sie macht uns Menschen zu wirklich echten, guten, feinfühligen Menschen.

(m)eine Ode an @dreizehntel

Liebste Katze, mein liebes Dreizehntel

morgen ist also dein 18. Geburtstag. Meine Güte. Für eine Katzendame bist du genau im richtigen Alter. Nichts kann dich aus der Ruhe bringen, ausser vielleicht die freche Amsel, die dich manchmal vor dem Stubenfenster ärgert. Aber sonst bist du die Ruhe selbst.

Im Oktober 2002 warst du eine kleine, finöggelige Katze, ohne Schnurrbarthaare, mit einem Pilz im Gesicht, Flöhen und riesigen gelben Augen. Ich habe mich, ganz ehrlich, sofort mit Haut und Haar in dich verliebt. Ich habe mir immer eine schwarze Katze gewünscht, und indem ich dich traf, wurde dieser Wunsch erfüllt.

Ich war gerade mal 25 Jahre alt, mitten in der Ausbildung zur Agogin. Wir hatten einige Tage Seminar im Künstlerhaus Boswil im Kanton Aargau. Und plötzlich warst du da. Die erste Begegnung werde ich nie vergessen: Du warst pflutschnass vom Regen, hattest ein wunderbares Fell und vor nichts Angst. Am nächsten Morgen erfuhr ich, dass der Wirt dich totschlagen sollte. Auch er hatte wenig Freude daran. Aber offenbar hielt man dich für ein räudiges kleines Kerlchen, das jegliches Recht auf Leben verwirkt hatte.

Ich nahm dich also mit, um dich zu retten. Eine Nacht schliefst du in meinem Bett im Herberge-Zimmer. Du hast viel gefressen, viel geschlafen. In einem Karton bist du in meinem ersten Auto gereist. Natürlich hast du ihn in wenigen Momenten mit deinen scharfen Krallen zerrissen.

Autos sind deine geheime Leidenschaft. Du bist oft mit mir über Autobahnen gependelt. Wo ich war, warst du nie fern. Dein erster Tierarzt prophezeite mir: „An dieser Katze haben Sie genug für ein Leben.“
Er hat Recht.

Du warst an meiner Seite, als ich meine Mutter im Pflegeheim besuchte. Sie hatte sich so sehr eine kätzische Begegnung gewünscht. Negi, ihr geliebter Büsi war einige Jahre zuvor gestorben. Du warst da und bist ohne Scheu auf sie zugegangen. Du hast sie getröstet und mich auch. Selbst in den schlimmsten Stunden.

Ehrlich gesagt lebe ich mit dir am längsten zusammen. Nie war ich so lange bei meinen Eltern, nie mit einem Mann. Aber du warst immer da.

Als ich sehr krank wurde, warst du da. Du hast auf meiner Brust, meinem Bauch geschlafen. Du hast Trost gespendet, beharrlich deine Noms verlangt. Du bist meine treueste und liebste Freundin. Du hast den Umzug ins Toggenburg problemlos überstanden und dir das Haus erobert.

Ach, liebe Dreizehntel. Jetzt bist du 18 Jahre alt und wunderschön. Ich liebe dein morgendliches Gegurre, dein Einfordern von Milchschaum, Toni-Joghurt mit Schoggi-Aroma, deinen Blick, wenn es im Haus warm und sonnig wird.

Ich erachte es noch immer als grosses Privileg, dass wir beide uns getroffen haben. Dass du gerne auf mir schläfst, mich morgens freundlich angurrst und du uns nachts weckst, wenn grad irgend ein wildes Tier durch den Garten streicht.


Liebe Dreizehntel, du bist meine absolute Lieblingskatze! ❤