Omis Satz

Beim Aufräumen stosse ich auf ein orangefarbenes, grosses Couvert.
Ich öffne es. Fotos, Zeitungsartikel und einige Quittungen fallen heraus.
Ich lese alles durch. Ich weiss nicht, was sich Omi dabei gedacht hat.
Dann drehe ich das Couvert um.
Der Papierstreifen über dem Klebestreifen ist beschriftet.

„Ich liebe Dich sehr! 18.2.2011!“

Sechs Jahre vor ihrem Tod verpackt Omi wichtige Dinge in dieses Couvert und versteckt es in einer der vielen Schubladen dieses Hauses.
Wie benommen sitze ich da und streichle über diesen Satz, den sie vor vielen Jahren an mich geschrieben an.
Ich klebe den Streifen an meinen PC-Bildschirm, neben ihr Foto.

Frühling

Ich mag diese Tage vor Ausbrechen des wahrhaften Frühlings, wenn fast alles noch schläft, aber der Schnee bereits geschmolzen ist. Ich mag die erwachenden Bäume, liebe die ersten Blumen, die ihre Köpfe farbenfroh in die Sonne recken.

Das Licht. Die Wiese. Das erste Mal barfuss laufen. Den Muschelplättchen zuhören, wie sie im Wind klimpern. Draussen rauchen. Den ersten Schnittlauch ernten. Die Forsythie, die im Sturm fiel, betrauern. Nie mehr ihre gelben Blüten sehen.

Der Frühling fühlt sich immer wieder wie eine erste Liebe an. Der Frühling ist zaghaft, vorsichtig und gleichzeitig voller Leidenschaft. Er verspricht so vieles, was im Laufe des Jahres passieren wird.

Auf meinem Tisch krabbelt ein seltsamer, grosser brauner Käfer. Er sieht aus, als wäre er viele tausend Jahre alt. Er steht da und und lässt sich den Wind über den Panzer wehen. Er bewegt sich langsam fort, als wäre er ein seltsames, aus der Zeit gekommenes Schlachtschiff.

Langsam geht die Sonne unter und es wird kühler. Ich geniesse jeden Sonnenstrahl, die Wärme und möchte am liebsten nur noch draussen sein. Der Wind bläst durch den Garten und erinnert daran, dass noch nicht Frühling ist. Aber bald.

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Die Katze und ich

Sie ist seit 2002 an meiner Seite und ich empfinde sie als eine Art Freundin und Weggefährtin: Dreizehntel ist meine norwegische Waldkatze

Ich habe sie damals in einem aargauischen Dörfchen getroffen. Vielleicht haben wir uns auch gegenseitig gefunden. Ich erinnere mich noch ganz genau an unsere erste Nacht im Künstlerhaus Boswil.

Sie war schon anfangs ein wenig chaotisch. Sie und ich. Ich und sie. Sie ist meine absolute Traumkatze. Ich liebe schwarze Katzen. Ich liebe ihre gelben Augen.

Irgendjemand sagte mir: Gell, das ist bestimmt eine Angora-Katze. Das war wohl nur, weil sie so fellig daher kam. Unter ihrem Fell ist und war sie nämlich immer ein furchtbarer Hungerhaken.

Als meine Mutter anno 2007 im Sterben lag, äusserte sie den Wunsch, dass ich die Katze mit zu ihr ins Pflegeheim nehme. Ich hatte grossen Respekt davor. Ich wusste nicht, wie die beiden aufeinander reagieren würden. Schlussendlich kam es sehr gut: Dreizehntel ist eine sanfte, neugierige und sehr verfressene Katze und meine Mutter war willens, ihr viele Leckerli zu schmeissen.

Meine Katze war nach dem Besuch bei meiner Mutter sehr erschöpft. Auch ich war am Ende meiner Kräfte. Ich erinnere mich noch gut, wie ich jeweils mit meiner Katze auf dem Bauch auf dem Sofa eingeschlafen bin

Meine Katze ist jetzt 17 Jahre alt. Ich schätze sie sehr und kann mir ein Leben ohne sie gar nicht vorstellen, auch wenn ich weiss, dass unsere gemeinsame Zeit wohl bald ein Ende hat. Ich habe noch nicht einmal mit meinen Eltern so lange zusammen gelebt, wie mit ihr. Von den Männern in meinem Leben ganz zu schweigen.

Ich schätze ihre Art, ihren Charakter sehr. Sie ist ein zielstrebiges, authentisches Lebewesen. Mit ihr zu leben ist ein Privileg. Sie ist die Summe aller Katzen in meinem Leben.