Bücherbett

Was mich wirklich gestresst hat an der ganzen Zügelei, waren die Tage ohne Bücher rund um mein Bett. Diese Leere hat mich fast wahnsinnig gemacht. Es gibt nichts traurigeres als leere, verstaubte Bücherregale.

Schon als ich noch ein kleines Mädchen war, wünschte ich mich nichts sehnlicher als eine Bücherwand. Omi schenkte mir auf den neunten oder zehnten Geburtstag ein Bett, eine Truhe und ein Bücherregal. Massivholz. Nun konnte ich mir meine eigene Welt erschaffen.

In meinem Elternhaus gab es nicht so viele Bücher, die Kinder hätten lesen können. Mein Vater besass einige Bücher über Rennfahrer, meine Mutter Romane und irgendwo stand noch unsere altehrwürdige Familienbibel herum.

Bei meinen Grosseltern jedoch erschloss sich für mich eine andere Bücherwelt. Mein Grossvater besass uralte Bücher über Elektrik, Chemie und Webmaschinen. Es gab Enzyklopädien und Bücher über Medizin.

Und nun sitze ich also in meinem Schlafzimmer im Toggenburg und die Regale, die ich mitnehmen konnte, sind endlich wieder mit Bücher gefüllt. Es ist ein wunderbares Gefühl, ins Bett zu gehen und auf eine Wand mit Namen und Titeln zu blicken. Opas Bücher sind im Gang aufgereiht. Jedes Mal, wenn ich an ihnen vorbei gehe, denke ich an ihn.

Im Film „Shadowlands“ den ich sehr liebe und den ich schon so lange nicht mehr gesehen habe, sagt Anthony Hopkins in seiner Rolle als C.S. Lewis folgendes: „Wer liest, ist nicht alleine.“

Ich habs getan!

Unsere Wohnung im Thurgau ist fast leer. Nur noch jene Möbel, die das Brockenhaus abholen wird und Geschirr stehen da.

Es hat mir wenig ausgemacht, mich von Dingen zu trennen, die ich nicht mehr brauche. Schwieriger sahs aus bei Gegenständen meiner Mutter, die ich aus Pflichtgefühl in der Wohnung herumstehen hatte.

Dazu muss ich folgendes sagen: ich hasse Clowns. Ich kann weiss geschminkte Gesichter nicht ausstehen. Meine Mutter aber liebte sie. Sie besass mehrere Clownpuppen, eine hässlicher als die andere.

Als sie starb, packte ich sie alle ein. Ich brachte es nicht übers Herz, sie wegzuschmeissen oder wegzugeben. Einige der Puppen habe ich Paula gebracht, aber auch sie konnte wenig damit anfangen und so kamen die Puppen wieder in meinen Besitz. Ich hab lange darüber nachgedacht, warum ich sie nicht wegschmeissen konnte.

Als meine Mutter starb, war ich im Schock. Ich wollte alles behalten, was mich an sie erinnerte. Am liebsten hätte ich ihren Geruch konserviert. Ihre Stimme aufgenommen. Fotos von ihrem Gesicht gemacht.

Stattdessen versuchte ich in Ehren zu halten, was sie mochte und verleugnete damit mich selber.

Gestern ging ich zum letzten Mal in meinen Estrich. Dort steht mein Kinderschrank. Er ist wackelig und fällt fast auseinander. Puppen und Clownfiguren habe ich dort aufbewahrt, damit ich sie in der Wohnung nicht mehr anschauen muss.

In einem Akt von Abschiednehmen vom Haus habe ich alles in einen Müllsack getan: die Puppen, Mutters Pullover, meine alte Servierschürze, eine Weste, die mir seit fünfzehn Jahren nicht mehr gefällt. Weg damit, dachte ich. In meinem neuen Leben ist kein Platz mehr dafür. Und damit meine ich nicht die Erinnerung an meine Mutter.

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Kältetest

Die ersten drei Tage im Haus sind vorüber.
Sie waren turbulent. Wir haben tatsächlich die kältesten Tage in unserem Haus mit Holzheizung hinter uns. Ich musste dran denken, dass Omi all die Jahre alleine geheizt hat. Wie hat sie das alles nur geschafft? Schmunzelnd habe ich die Schaffelle ins Bett gelegt. Omi hat sie fein säuberlich versorgt. In dieser Kälte tun sie gute Dienste. Wollsocken sind hier plötzlich sehr beliebte Kleidungsstücke.

Die Katze hat alles gut überstanden. Sie stören die Berge von Schachteln, die noch immer herrschende Unordnung nicht. Im Gegenteil. Sie scheint im Katzenparadies. Jeden Tag eine neue Entdeckung.

Wir putzen unsere alte Wohnung. Ich bin froh, alles, was ich nicht mitnehmen möchte, dort lassen zu können. Mich überkommt Melancholie. Hier habe ich fast achtzehn Jahre lang gelebt. Fast mein ganzes Leben habe ich im Thurgau verbracht. Und nun bin ich sozusagen St. Gallerin geworden. Thur-Toggenburgerin gefällt mir besser

Der Schnee steht uns bis zu den Knien. Die Eiszapfen hängen von den Dächern und schillern bunt, als die Sonne durch sie hindurch scheint. Unser Haus steht, umgeben von weiss, einfach da. Es lebt wieder.

Zügelfieber

Gestern sind wir nun also aus dem Thurgau ins Toggenburg gezogen. Der Tag ging vorbei wie im Fluge. Ich fühlte mich wieder kraftvoll.

Um viertel vor sieben kamen die beiden Zügelmänner an. Ich packte sofort die Katze ein, die das anfänglich gar nicht witzig fand. Fast zwei Wagenladungen voll mit unseren Kisten und den Möbeln stapelten die beiden Männer. Sie taten es aufgestellt und sehr freundlich, was in unserer Situation wohltuend war.

Sascha sorgte für die Katze und beantwortete Fragen der beiden Männer, derweil ich die Küche fertig ausräumte, mich von Geschirr trennte und anfing zu putzen. Draussen tobte ein kalter Wind. Durchzug. Abschied von den Nachbarn. Keine Tränen.

Um elf Uhr ging die Fahrt los.

Wir waren sehr dankbar, dass unsere neuen Nachbarn offenbar Saschas Flyer gelesen hatten und niemand die Einfahrt versperrte. Ich ging mit der Katze ins Haus, deponierte sie in ihrer neuen Stube und Sascha fing an, Schnee zu schippen.

Es war ein seltsames Gefühl, vor dem Haus zu stehen und sagen: jetzt bist du daheim. Das ist deins.

Das Haus war kalt. 5°C. Sascha feuert ein. Ich fange damit an, die Küche einzuräumen. Schmeisse weiter Sachen weg. Es ist ganz leicht. Was nicht passt, kommt weg. Mit einem Mal weiss ich, was wohin gehört.

Ich bemerke meine Müdigkeit. Jetzt in die Stube aufs Sofa liegen, neben die schnurrende Katze und schlafen. Das wärs. Aber das geht ja jetzt nicht. Später. Ich räume weiter aus.

Der Berg von Schachteln wird nicht kleiner. Aber immerhin ist die Küche jetzt ausgestattet und einsatzbereit. Vor lauter Auspacken vergesse ich das Essen. Das wird mir erst klar, als es mir trümmelig wird. Sascha kauft mir ein Sandwich. Ich esse. Packe weiter aus.

Die Katze darf schliesslich aus der Stube raus, als die Zügelmänner gegangen sind. Für sie ist es das erste Mal, dass sie in einem Haus mit Treppen lebt. Sie geht auf Entdeckungsreise. Sie ist neugierig. Ich erkenne sie nicht wieder. Mit einem Mal wird mein kleiner Stubentiger zu einem Raubtier. Das Estrichabteil, in dem ich Mäuse vermute, hat es ihr angetan. Kriege ich wohl bald kleine Geschenke von ihr?

Um Mitternacht falle ich ins Bett. Ich möchte lesen, aber die Nachttischlampe ist noch irgendwo im Haus. Aber ich weiss jetzt: Das Haus verliert nichts. Ich bin glücklich.

Mittwochsfreude

Zwei Tage vor Umzug stehen alle Zeichen auf Sturm. Ich bin müde, erschöpft und kann nicht mehr schlafen. Ich bin unruhig.

Wir fahren zu IKEA und kaufen Saschas Schreibtisch. Sein jetziger Arbeitstisch kommt in unsere Küche. Mit einem Mal interessiert mich die Küchenausstellung mehr als je zuvor. Schliesslich wollen wir, irgendwann, die über sechzigjährige Küche renovieren.Ich ignoriere sogar tobende Kinder, die ihre Mütter terrorisieren. Das muss die neue Gelassenheit sein.

Von St. Gallen aus düsen wir ins Toggenburg. Sascha will die Türen noch beschriften, damit die Zügelleute sich orientieren können und ich meinen Büroboden sehen. Wir waten durch tiefen Schnee. Mit einem Mal leuchtet mir unser Haus entgegen und ich muss dran denken, was ich an Weihnachten 2013 gehofft habe: im nächsten Jahr ist das Haus belebt.

Belebt war das Haus wohl: da waren wir, die wir sechzig Jahre Familienschrott entsorgten. Mein Vater und seine Frau, die uns immer wieder tatkräftig mit der Gartengestaltung unter die Arme griffen. Röteli und Simeli, die uns immer mal mit einem Besuch auf der Fensterbank erfreut haben. Ich erinnere mich auch noch an den Sektenheini, der zu Omi wollte und den ich zum Teufel gejagt habe. Und dann waren da noch die Schreiner letzte Woche, die den Boden meines Büros ersetzt haben.

Die alte Werkstatt, der versiffteste Raum im ganzen Haus, verschimmelt, vermodert, ist renoviert. Ich kanns gar nicht glauben. Ich bin nahe an den Tränen, weine aber nicht, weil ich dazu zu müde bin und später wieder in den Thurgau fahren muss. Der Raum ist wunderschön geworden. Nichts, schon gar nicht der Geruch, erinnert an die Unordnung, die wir langsam abgetragen haben. Ich weiss genau, wo welches Möbel hinkommen wird. In die Ecke der Arbeitstisch, das Schreibzeug. Dort die Regale für die Schnittmuster und Wörterbücher. Eine Sitzecke für die Katze.

Ich denke, während ich in dem Raum stehe: Das muss Omi sehen. Das glaubt sie mir nie.

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Sommer 2013

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Sommer 2014

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Weihnachten 2014

 

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Neujahr 2015

 

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Februar 2015

Züglete. Endspurt. Schlafmanko

Die Wohnung leert sich langsam. Nur noch Regale stehen herum. Einige Bilder. Die Spiegel. Die Katzenschlafplätze.
Ich bin müde. Jetzt könnte ich einfach einschlafen und erst wieder im Frühling erwachen. Wir brauchen noch einen Schreibtisch für Sascha. Und ich will den Boden meines Ateliers vor dem Einzug sehen.

Der Boden des Ateliers ist neu gemacht. Der Schreiner hat ihn in zwei Tagen neu gelegt. Es hat sogar eine Dampfsperre. Ich erlerne praktisch täglich neue Wörter.
Morgen nach meinem Feierabend fahren wir hin. Dabei wäre es gescheiter, wenn ich einfach schlafen ginge. Aber wahrscheinlich spielt das jetzt gar keine Rolle mehr. Schlafen kann ich später.

Kurz gesagt: der Thurgauer Estrich muss noch durchetikettiert werden. Ich muss mich entscheiden, was ich mitnehmen will und was nicht. Ha! Man gebe mir weitere zwölf Stunden pro Tag.

Die Katze, bald dreizehn Jahre, übrigens, geniesst den Kartonberg. Nachts besteigt sie ihn, gurrt, miaut und weckt mich. Mich nimmt ja nur wunder, wie sie das im Toggenburg noch toppen will.

Das Debrunner-Dilemma

Am Freitag ist es soweit. Wir ziehen weg von hier. Doch vorher müssen wir noch den Estrich sortieren und entscheiden, was mitkommt.

Ich weiss genau, was ich ins Haus mitnehmen will und was nicht. Mein alter Kinder-Kleiderschrank geht ins Sperrgut, ebenso das Sofa. Mein Barbie-Haus ist abbruchreif. Müll. Der Christbaumschmuck kommt mit. Meine Autöli-Sammlung auch. Die Kommode bleibt hier. Meine Spick-Sammlung verschenke ich.

Aber da ist mein pièce de résistance: Eine Kiste voller Gegenstände meiner Schwester.

Es ist nämlich so, dass ich diese Kiste damals mitgezügelt habe, als mein Vater und seine Frau aus ihrem Haus in eine Wohnung umzogen. Ich wollte die Kiste für meine Schwester retten. Doch seither ist recht viel Geschirr zwischen uns zerbrochen.

Ich habe Lust, ihre dämlichen Take-That-Kassetten, mit denen sie mich 1994 genervt hat, wenn ich in Ruhe Gedichte lesen wollte, zu zerdeppern. Ihre Schulsachen, ihren Nippes, alles aus dem Fenster schmeissen, darauf hab ich Lust.

Ich muss daran denken, dass meine Schwester den Schwanz eingezogen hat, als unsere Mutter starb. Sie hat mich im Stich gelassen, als es ums Pflegen, die Sterbebegleitung, die Auswahl des Grabes und die Bezahlung des Grabsteins ging. Das war ihr alles scheissegal. Sie hat einfach ihr Handy ausgeschaltet. Tant pis! Aber als es einige Jahre nach dem Tod der Mutter unerwarteterweise ein wenig Geld zu erben gab, da war meine Schwester plötzlich wieder da. Sie wusste meine Telefonnummer und meldete sich wieder, als wäre nie etwas passiert.

Die Wunden sind nicht verheilt. Beim Hauskauf wurden meine Narben jäh wieder aufgerissen. Plötzlich brauchte es auch von ihr Zustimmung, dass ich Omas Haus kaufen darf, beziehungsweise die Bestätigung, dass sie es nicht kaufen will. All die Jahre hat es sie nicht interessiert, wie es Omi geht. Ich finde es unfair von meiner Schwester. Vielleicht will ich deshalb ihren ganzen Kasumpel nicht im Haus haben.

Ich muss mich entscheiden: verzeihe ich und schleppe einmal mehr den Ballast eines anderen Menschen mit, der dies wohl gar nicht zu schätzen weiss, oder befreie ich mich von der Vergangenheit und werfe alles von ihr weg. Schwierige Frage.

Davor und Danach

Heute in einer Woche ist es also soweit. Wir ziehen um. Aus. Weg. Es gibt ein Davor und ein Danach. Mein Davor sieht gerade so aus, dass ich allen möglichen Lieblingsbäumen Adieu sage. Die Apfelplantagen, mein Lieblingsmagnolienbaum werden vielleicht beim nächsten Mal nicht mehr da sein.

Frauenfeld sieht beim nächsten Mal auch nicht mehr so aus wie jetzt. Es kann sich nur verbessern. Die Zuckerfabrik wird weiter vor sich hin rauchen und stinken wie immer.

Doch heute, als ich mit dem Zug nach Uster fuhr, fiel mir ein, was mir wirklich zu schaffen macht: meines Bruders Grab. Wieder lasse ich es hinter mir. Wie schon damals, als wir fortzogen. Das Gefühl, das ich schon kleines Kind kannte, macht sich mit einem Mal wieder in mir wieder breit. Es ist eine seltsame Sache, denn ich weiss ja ganz genau, dass er längst mit der Erde auf dem Wängemer Friedhof eins geworden ist und ich ihn nicht mitnehmen kann. Dennoch habe ich das Gefühl, ich lasse ihn im Stich. Denn ich lebe ja und er nicht.

 

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Zugeschnürte Kehle

Langsam aber sicher leert sich die Wohnung. Derweil ich brav Dienst tue, räumt Sascha Bücher und Zeugs in Kisten. Bis zur grossen Zügelei hab ich genau noch einen Tag frei. Ganz im Ernst: ich bin froh drum, denn eigentlich bricht es mir das Herz, noch länger in diesem Haus ein- und auszugehen.

Nur schon wenn ich am Abend auf den Parkplatz fahre, muss ich fast weinen. Hier werde ich fast 18 Jahre neben wunderbaren, mir ans Herz gewachsenen Menschen gewohnt haben. Ich sah über all die vielen Jahre mein Nachbarskind aufwachsen. Ich durfte viele nette Katzen und Hunde kennenlernen. Viele Abende verbrachten wir gemeinsam im Garten. Die Sonne schien auf unsere Gesichter. Mein Nachbar macht das Feuer in der Feuerschale an. Wir trinken Wein und reden. Schauen zum Himmel und sehen die Sterne. Meine Nachbarn werden mir so sehr fehlen.

Ich war heute bei meinem Arzt. Seit bald zwei Monaten plagen mich Halsschmerzen, Schluckstörungen und Atemnot. Ich habe das Gefühl, als schnürt es mir den Atem und die Stimme ab. Immerzu dieses seltsame Gefühl im Hals, als ob ein Gegenstand, eine feine Nadel, darin stecken würde.

Das Gefühl, nicht mehr reden zu können, begleitet mich schon lange. Und manchmal habe ich Angst, dass es wirklich so sein wird. Heute hatte ich plötzlich Angst. Was ist, wenn meine Stimme verschwindet und ich einen Text nicht mehr laut vorlesen kann, um zu überprüfen, ob er gut ist? Spielt sich in einem solchen Falle Sprache nur noch im Kopf ab?

 

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Bin ich zu empfindlich?

Warum leide ich dann so, wenn ich diesen vernebelten Flecken Land verlasse? Der Thurgau ist ein unbekanntes Land und es war mir immer recht so. Die Schönheiten gehören den Menschen, die den Kanton ohne Vorbehalte lieben.

Da ist der See bei Berlingen. Er ist im Frühling und Sommer so klar und azurblau wie die Côte d’Azur. Der Ottenberg sticht grün aus der Ebene hervor. Seine Weine sind wunderbar. Die Thur vor Bischofszell ist wild und wütend, mehr ein grosser Bach, denn ein stiller Fluss.
Konstanz gehörte für mich immer zu Kreuzlingen und noch vor zehn Jahren konnte man einfach mal schnell hinfahren und beim besten Spanier Knoblauch mit Kaninchen essen. Heute geht das nicht mehr.
Der Fasnachtsumzug in Frauenfeld. Das leidige Schlamm-Openair. Die WEGA in Weinfelden. Der Chlausmärt. Die Menschen, die lieber über das Wetter und den Stand der Thur palavern, denn über die Politik. Sie werden mir allesamt sehr fehlen.

Die Sachen in der Wohnung verschwinden immer mehr in Kartons. Die Katze freuts. Für sie ist das alles ein grosses Abenteuer. Doch für mich ist es der Verlust meiner Heimat.

Wir Debrunners entstammen dem Weiler Debrunne. Dort haben sie vor fünfhundert Jahren ihren Namen gefunden. Debrunne bedeutet die Hirschtränke.

Unser Haus hier wurde in den 1860er Jahren gebaut. Es ist also fast dreissig Jahre jünger als „unser“ Haus im Toggenburg. Es ist solide, hat eine Heizung und trotz alledem eine lange Geschichte als altes Schulhaus.

Ich verlasse die Heimat meines Vaters nach fast vierzig Jahren zugunsten der Heimat meiner Mutter. Es ist seltsam, denn im Toggenburg kann ich meinen Wurzeln folgen. Hier im Thurgau nur mit Mühe. Warum ist dann der Abschied so schwer?

Nachtrag 20.25
Ich empfinde es als schwierig, das Grab meines Bruders zurückzulassen. Zu gerne hätte ich ein Glas seiner Erde. Dann würd ich es im Toggenburg beerdigen, wo alle anderen auch liegen.