Wenn ich an Christbäume denke, so kommen mir immer wieder jene meiner Kindheit in den Sinn. Mein Vater holte jeweils einen im Wald. Manchmal stand der Baum dann einige Tage auf unserem Balkon, wo ich ihn ansah, als wäre er ein zukünftiger Freund der Familie. In meiner Erinnerung sind die Bäume immer riesig.
Das Schmückungsritual verlief, natürlich, immer gleich: Meine Mutter schmückte mit vier Kugeln, auf denen die Muttergottes, das Jesuskind und auch der Josef abgebildet waren, die obersten vier Äste. Anschliessend durfte ich als Ältere mit Mutter weitere Kugeln aufhängen. Am Schluss kamen die Christbaumschöggeli. Der Baum war jeweils kunterbunt.
In meiner Erinnerung sind alle Bäume bunt und prächtig. Aufgestellt auf einer edlen Decke, darunter die Krippe, später die Geschenke in bunten Papieren. Alles hatte seine Ordnung.
Meine Christbäume sind noch immer bunt. Allerdings habe ich keinen richtigen Baum mehr in meinem Haus, weil es mir heute das Herz bricht, wenn die Tanne langsam stirbt. Ich liebe Tannen.
An meinem bald 20jährigen Baum hängen Kugeln von mittlerweile vier Generationen: da sind die silbernen Herzkugeln und die fragile Spitze von Uropa Heinrich und Rosa, ja vielleicht auch noch solche meiner Urgrossmutter Anna, diejenigen von Paula, die Muttergotteskugeln meiner Mutter und meine eigenen.
Längst existieren nicht mehr alle Kugeln. Von den vier Kugeln, die ich als Kind so sehr geliebt habe, und die ich immer den Himmelsrichtungen entsprechend ausgerichtet habe, sind zwei kaputt. Am Ende der Ehe meiner Eltern wurde meine Mutter so wütend, dass sie den Christbaum und einen Teil der Kugeln zerstört hat.
Vielleicht brauche ich deshalb heute meinen friedlichen Baum aus Plastik, weil ich den echten Baum und seinen erinnerten Geruch nur schwer ertrage.