Manchmal weiss ich nicht, was mich erwartet, wenn ich bei Omi im Pflegeheim vorbei fahre. Ist sie wach? Schläft sie? Hat sie Schmerzen? Ist sie verwirrt?
Ich habe nicht mehr so grosse Angst wie noch vor vier Jahren. Aber manchmal kommt sie wieder auf. Wie lange habe ich Omi noch hier?
Heute vormittag lag sie friedlich schlafend und schnarchend in ihrem Sessel. Ich setzte mich neben sie und streichelte ihren Arm. Ich rede kurz mit ihr. Sie gibt mit geschlossenen Augen Antwort. Aber sie klingt, als wäre sie weit fort. Ihr Gesicht wirkt spitz. Ihre Gesichtsfarbe ist fahl.
Ich bleibe kurze Zeit bei ihr. Ich will sie nicht stören. Nicht wecken. Sie wirkt zufrieden. Ich streichle ihren Arm erneut. Ein Abschiedswort und ein Kuss auf die Wange. Dann gehe ich. Draussen steht ein Kastanienbaum, dessen Blätter verfärbt sind. Ich mag Kastanien. Als ich noch ein kleines Mädchen war, haben Omi und ich immer welche gesammelt.
Für einen kurzen Moment bin ich nahe an den Tränen. Omi. Du bist da drinnen, ich hier draussen. Es wird nie mehr so sein, wie es war.
Wenn ich das lese, muss ich an meine Oma denken, die zuletzt auch im Pflegeheim war. Und ich fühle mich furchtbar, weil ich sie so selten besucht habe. Ich konnte es einfach nicht ertragen. Ich mache mir manchmal solche Vorwürfe.
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Liebe(r) Tempest, das tut mir leid, dass du dir so Vorwürfe machst. Aber mir geht es ähnlich, auch wenn ich Omi regelmässig besuche. Manchmal ertrage ich es einfach nicht. Es ist anstrengend und geht an die Substanz. Es gibt aber auch Tage, da ist es wunderschön und ich geh glücklich raus.
Du hast das gemacht, was du damals konntest und mehr ging nicht. ich bin sicher, deine Oma hat gespürt, dass du sie sehr gern hast. Das ist das wichtigste. alles Liebe, zora ❤
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