Erinnerungsschlaufen schwimmen

Ich gehe schwimmen. Seit einigen Monaten wieder. Das Hallenbad in Bütschwil gefällt mir wirklich sehr gut. Es ist ein Teil meiner Kindheit. Wie oft ging ich mit meiner Omi und meiner Schwester dort schwimmen! Ich liebe es!

Das Wasser war warm. Die Kacheln beige. Bänke rund ums Bassin. Sehr viel Glas. Eine bunte bemalte Wand. Ich erinnere mich daran, dass die neonfarbenen Billets früher auch immer als Bezahlmittel fürs Schloss der Garderobe genutzt werden konnten.

Ich kann mich aber nicht mehr an das erinnern, was wir geredet haben. Es ist zu fern.

Mit Omi war ich schwimmen, nachdem man meine Hüften operiert hat. Ich konnte mich anfangs nicht über Wasser halten, sondern nur tauchen. Ich weiss nicht mal, warum das so war. Das Gefühl aber war toll. Fühlte ich mich an Land schwer und unbeweglich, verwandelte ich mich im Wasser zu einem Fisch.

Als ich das Haus anfing zu räumen, fand ich Omis Badekleid. Wir haben offenbar dieselbe Figur. Vor einigen Tagen beschrieb eine Freundin, die meine Omi noch von früher kannte, als „stattlich“. Das Badekleid konnte ich einfach nicht wegschmeissen. Es erinnert mich so sehr an die Zeit vor 30 Jahren, als ich noch ein Kind und fast alles gut war.

Ich schwimme weiterhin in Bütschwil. Es gefällt mir. Die Sicht auf die Churfirsten, gerade bei Sonnenuntergang, ist grossartig. Das Wasser ist warm und das Personal ist sehr zuvorkommend. Die Gerüche sind noch immer die gleichen wie vor 30 Jahren. Es hat sich nichts verändert, nur dass Omi hier nicht mehr mit mir schwimmt.

Wasser

Ich mag den Chlorgeruch, wenn ich nach der Umkleidekabine in die holde Wärme des Schwimmbads trete. Immer denke ich zuerst an meine Mutter.

Sie liebte Schwimmen. Das Wasser war ihr Element.
Ich erinnere mich an meine Schwimmversuche im Untersee bei Steckborn. Das grosse Wasser war angsteinflössend. Es war dunkel und warm im Hochsommer. Die Hände meiner Mutter griffen nach meinem Körper, damit ich nicht ertrank. So muss es sich auch vor meiner Geburt angefühlt haben.

Oft gingen wir nach Frauenfeld und schwammen dort.
Zuerst konnte ich mich gar nicht über Wasser halten.
Das Tauchen war mir näher.
Meine Hüfterkrankung liess mich den Weg des geringsten Widerstandes gehen. Oder schwimmen.

Das Hellblau des Bades. Die Silhouetten. Die Wärme.

Dann: senfgelbes Wasser. Der Hüttwilersee. Ich erinnere mich ungerne daran.

Omi schwamm auch gerne.
Sie war bestimmt über 60 Jahre alt, als wir jeweils im Schwimmbad Bütschwil zusammen schwammen. Omi war ängstlich. Sie wachte über mich und meine Schwester, als wäre sie die Glucke und wir die Küken. Omi war allgegenwärtig. Sie machte jeden Blödsinn mit und ihr Lachen hallt in mir wider. Sie war unsagbar glücklich, uns Enkelinnen um sich zu haben. Ich war glücklich, dass sie da war.

Die Dusche in Bütschwil sieht noch immer aus wie vor 25 Jahren.
Das Bad riecht gleich.
Nur die Schrankschlüssel haben sich verändert.

Meine Mutter ist nicht mehr hier.
Omi weiss nicht mal mehr, dass wir hier gemeinsam geschwommen sind.
Die Orte, an denen ich als Kind glücklich war, verändern sich.