Schaffenskraft

Eines jener Dinge, die ich an meiner Oma immer bewunderte, war ihre Tatkraft und ihr unerschütterlicher Glaube an das Gute.

Nach dem Tod meines Opas, Oma sass bis zu seiner letzten Minute an seinem Bett und hielt seine Hand, war sie zwar sehr traurig, aber auch seltsam befreit.

All die Jahre ihrer Ehe und ihres gemeinsamen Lebens im Toggenburg, durfte Omi nichts am Haus verändern. Mir scheint im Nachhinein, als hätte Opa Walter mit aller Kraft an seiner eigenen Kindheit festhalten wollen. Den Satz „Lass das bloss sein, das war schon immer so“, hörte ich sehr oft von ihm, wenn Omi Verbesserungswünsche anbrachte.

Nach seinem Tod aber begann Omi Paula das Haus auszumisten. Mit aller Kraft entledigte sie sich der Vergangenheit. Das Haus sollte in neuem Glanze erscheinen. Ihre Schwester Hadj unterstützte sie dabei. Omi war gerade mal 69 Jahre alt, Hadj zwei Jahre älter.

Gemeinsam hauchten sie dem Haus frischen Atem ein.
Diese Phase des Aufbruchs fand erst ein Ende, als Omi 2006 starkes Rheuma kriegte und ihre Arme nur noch schwer bewegen konnte.

Nach dem Tod meiner Mutter blühte meine Oma nochmals auf.
„Es muss weiter gehen“, sagte sie oft, „auch ohne mein Urseli.“
Nicht einmal die ersten Anzeichen der Demenz konnten Oma Paula bremsen. Sie hatte so viele Pläne. Sogar als sie ihre Hände nur noch schwer bewegen konnte, dachte sie darüber nach, nähen zu lernen.

In diesem Punkt sind Omi und ich uns sehr ähnlich. Wir packen beide an. Wir lassen nichts stehen. Es ist nie zu spät, um etwas und sich selber zu verändern. Selbst in der miesesten Sache gibt es immer was Gutes.
Man muss sich nur auf die Suche machen.