Ein Platz für Uschi

Es war natürlich klar, dass meine Mutter im Spital nicht am richtigen Ort war. Dafür war die Pflege zu teuer und der Nutzen zu klein.
Meine Mutter wurde schliesslich, als sie wieder halbwegs lebendig war, in Absprache mit den betroffenen Abteilungen in die Psychiatrie verfrachtet.

In den Tagen vor dem Transport in die Psychiatrie hatte meine Mutter schreckliche Albträume. Sie rief mich an und sagte: „Ich hab geträumt, dass mich in der Psychiatrie Ratten bei lebendigem Leibe anfressen.“ Meine Mutter hatte nämlich schreckliche Angst vor Mäusen und anderen Nagern. Ich verstand, konnte aber nur wenig tun. Die Pflegemaschinerie war ins Rollen geraten.

Wider Erwarten gefiel es ihr.
Die Psychiatrische Klinik, in der sie nun lebte, führte ein ausgezeichnetes Aktivierungsprogramm. Uschi war glücklich, Sie konnte stricken, häkeln und keiner verbot ihr, Kreuzworträtselzeitschriften auf die Tischplatte zu kleben. Im Gegenteil.

Ich war allerdings etwas erstaunt, als meine Mutter mir erzählte, dass sie in einer Gruppentherapie war. Jahrelang hatte sie Therapien umgangen. Besonders die Gesprächstherapie lag ihr gar nicht. Doch dann meinte sie: „Weisst du, es ist schon komisch. Da bin ich am Sterben und ich sitze mit 20jährigen, die noch ihr ganzes Leben vor sich haben da und rede darüber, dass ich getrunken habe.“

Als ich sie besuchte, wurde ich von einem Arzt abgefangen. Der führte mich in ein Büro, wo er mich ausfragte. Er wollte wissen, ob ich begriffen hatte, dass sie stirbt. Das hatte ich natürlich. Ich war ja nicht doof. Dann fragte er mich unverhohlen, ob auch ich alkoholkrank sei, denn schliesslich sei ich als Tochter besonders in Gefahr.

Da wurde ich wirklich wütend.
Ich fand es unverschämt, in dieser Situation zu so einer Kackscheisse befragt zu werden. Ich antwortete ihm barsch, dass ich schon als Kind begriffen hatte, was los war und ihr geholfen hatte, die morgendliche Kotze wegzuwischen. Dieser Arzt hatte keine Ahnung von meinem Leben. Ich verliess sein Büro.

zwei Tage später erlitt meine Mutter einen Infekt und musste zurück ins Spital gebracht werden. Ich war darüber nicht unglücklich.

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