Mein Vater und ich

Natürlich war mir meine Mutter immer der erste Mensch. Doch zweite Mensch in meinem Leben war mein Vater.
Es hat mich immer gerührt, wenn er erzählt hat, wie meine Geburt verlaufen ist. Er hat gespürt, dass etwas mit meinen Beinen nicht stimmt. Stolz erzählt er noch heute, dass er meine Nabelschnur durchgeschnitten hat, mich wusch, kaum war ich aus dem Leib meiner Mutter entsprungen.

Ich erinnere mich an mein erstes Velo. Es war bunt und ich konnte stehend darauf laufen. Irgendwann nahm ich Platz in einem Kindersitz. Er war weiss und in der Mitte war eine Weltkugel aufgedruckt. Mein Vater nahm mich mit auf seinem Militärvelo.

Er erzählte mir mehr als einmal, wie wir zusammen gefahren sind. Wie ich am Fusse des Sonnenbergs rief, dass er schneller fahren soll. Und er es tat. Ich spür es noch heute.

Mein Vater hat auch die nötige Kühle bewahrt, als ich mit neun Jahren zum ersten Mal die Beine operieren lassen musste. Ich vermag nicht zu ermessen, wie sehr es ihn geschmerzt haben muss, dass ich, die Ältere, nie mehr mit unversehrten Beinen herum laufen würde.

Die tiefe Trauer meiner Mutter um meinen Bruder hat er ertragen. Ich weiss nur von einer Freundin, dass auch er trauern konnte. Er hat sich nie treiben lassen. Er empfand sich wohl immer als Fels in der Brandung.

Als sich meine Eltern scheiden liessen, war für ihn klar, dass er uns Kinder weiter aufziehen würde. Meine Mutter wollte frei sein. Er wünschte sich die Familie. Welcher Mann macht das heute einfach so? In den 90er Jahren war er jedenfalls die Ausnahme.

Mein Vatervor einigen Jahren erkrankte an Krebs. Er hat wenig darüber geredet. Ich hab nur einmal, als wir Fotoalben angeschaut haben, gespürt, dass er zurückschaut. Mein Bruder, meine Mutter, seine toten Freunde. Sie waren in seinem Leben alle präsent.

Ich bin sicher, dass der Mut meines Vaters mich sehr geprägt hat. Er hat auch mein Männerbild bestimmt. Niemals würde ich an der Seite eines Mannes verharren, der eine Frau nicht respektiert und der keinen Sinn für Familie hat.

 

1978_papi&zora

1978

 

 

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2012

3 Gedanken zu “Mein Vater und ich

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