Meine Kindheit war überschattet von der Angst meiner Eltern und Grosseltern, mich zu verlieren. Einerseits war da der Tod meines Bruders 1979, der sie alle stark verunsicherte, andererseits das rätselhafte Verschwinden unzähliger Kinder.
Da war Peter Perjesy, der 1981 im Nachbardorf Wattwil verschwand. Dann verschwand 1984 Peter Roth im Mogelsberg. Doch am nachhaltigsten erschütterte meine Familie das Verschwinden von Edith Trittenbass. Sie lebte in Wetzikon TG. Ich war gerade mal neun Jahre alt, als die Vermisstmeldung von Edith im Fernsehen lief. Meine Familie wollte in jener Zeit nach Wetzikon ziehen.
Edith war und blieb verschwunden. Albträume beherrschten unser aller Leben. Es war unerträglich. Diese Angst. Diese Unsicherheit, niemandem mehr trauen zu dürfen. Nie durfte ich auch nur eine Stunde wegbleiben, ohne zu sagen, wo ich bin. Wenn ich das nicht tat, bekamen sie Angst. Die Angst vor dem „bösen, schwarzen Mann“ war allgegenwärtig.
Ende Juli 2007 verschwand Ylenia. Meine Mutter lag im Spital und kämpfte um ihr Leben. In derselben Zeit suchte man im ganzen Thurgau nach dem Mädchen. Gleichzeitig traten Vermutungen an die Oberfläche, dass der Entführer von Ylenia auch jener von Edith sein könnte.
Ich habe mir so sehr gewünscht, dass irgendjemand Edith findet. Dass der namenlose Verlust des Mädchens endlich nach zwanzig Jahren zu Ende sein würde.
Wir schreiben 2014. Doch Edith ist noch immer unauffindbar und Ylenia ist seit sieben Jahren tot.
Die Menschen, die Edith etwas angetan haben, taten auch meiner Generation etwas an. Das Spielen draussen wurde uns vergällt. Die Mütter und Väter hatten immerzu Angst um uns. Das und das Verschwinden der Freundin, die ich nie kennenlernen durfte, verzeihe ich diesen Unmenschen nie.
Glaub mir, diese Angst gab es schon immer. Schon früher verschwanden Kinder spurlos, wurden Mädchen ermordert – noch weit vor der Zeit von Social Media fielen Kinder auf Pädophile rein, weil sie ihnen vertrauen. Mir wurde immer eingetrichtert, ich solle niemals zu jemandem ins Auto steigen. Ich tat es bei meinen Kids genauso, mit dem Resultat, dass unsere Tochter sich vom Kindergarten nichtmal von der Nachbarin heimfahren liess. Und Süssigkeiten von jemandem nehmen war auch tabu! Zu meiner Zeit und zur Zeit meiner Kinder. Heute sind es die k.o. Tropfen, die den Jungen das Leben im Ausgang erschweren. Es wird also nicht einfacher. Drum: Besser Vorsicht bevor man jemandem traut! 🙂
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Das war schon bei mir so – Aktenzeichenxyseidank. Obwohl weniger konkret als bei dir, geisterte auch durch meine Kindheit der schwarze Mann. Und sogar durch Schulaufsätze, wie mir soeben einfällt. Ängst sind so rational wie sie irrational sind.
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http://www.serienkillers.de/serienm%C3%B6rder/e-f/ferrari-werner/
Ich werde nie verstehen wie Menschen jemandem sowas antun können. Und dann auch noch einem unschuldigen Kind!
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