Der andere Klang

Erst jetzt wird mir bewusst, in welchem Lärm wir vorher im Thurgau gewohnt haben. Wir lebten an der Strasse zwischen Frauenfeld und Weinfelden, der Rübenstrasse. Tagein und Tagaus fuhren Traktoren an unserer Stube vorbei. Immer wieder vibrierte das ganze Haus. Wenn wir TV schauten, verstanden wir jeweils für einige Sekunden kein Wort mehr. Dasselbe geschah, wenn vom nahegelegenen Waffenplatz Panzer bei uns vorbei donnerten. Gegenüber unserer Wohnung lag eine Garage. Es war keine Seltenheit, dass wir am Samstagabend von Gehupe und Motorengeheul geweckt wurden.

Hier im Toggenburg ist alles anders. Unser Haus liegt in einem Tobel. Es ist windstill und ruhig. Der Bach plätschert vor sich hin. Er wirkt beruhigend. Vögel pfeifen. Zum ersten Mal seit Jahren sehe ich wieder auf einen Baum vor dem Haus. Amseln klettern darauf herum. Am Samstagabend läuteten die Kirchenglocken. Ein heimeliges Gefühl, obwohl ich nicht gläubig bin. Es erinnert mich an meine Kindheit im Thurgau.

Ich genoss die Samstagabende bei Omi in den Ferien. Wir spielten den ganzen Tag und abends kochte Omi unser Lieblingsessen. Um sechs Uhr abends läuteten die Kirchenglocken. Wir schauten fern.

Während ich diese Zeilen schreibe, ist es Sonntagmorgen. Wieder haben die Glocken geläutet. Es ist ein zärtlicher Klang. Draussen fällt Schnee. Von unserem Schlafzimmer aus sehe ich auf die Dächer der Nachbarhäuser. Es ist alles ganz ruhig, nur das Tapsen der Katze rauscht durch das Haus.

3 Gedanken zu “Der andere Klang

  1. Ach, Zora, mein Herz, mir sind beim Lesen die Tränen gekommen: vor Rührung und vor Begeisterung über das Konzise Deiner Beobachtungen und Deinem mit scheinbar leichter Hand passend gemachten sprachlichen Ausdruck.

    Die Vorfreude auf das Erscheinen Deines Buches „Demenz für Anfänger“ wächst in mir nun rapide.

    Möge die Toggenburger Stille des Lebendigen auch Deine innere Ruhe wieder herstellen. Liebe Grüße an Euch beide.
    .

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  2. Traumhaft, ich kann mir euer jetziges Zuhause gut vorstellen!
    Ich wünsche euch viele glückliche, gesunde Jahre im Haus mit den Kindheitserinnerungen.

    Liebe Sonntagsgrüße von InneVer

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  3. Also, ich finde, das klingt beneidenswert. Einen rauschenden Bach habe ich mir immer schon gewünscht, bisher hats nicht geklappt. Alles Gute zum Einzug und zum Neubeginn!

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