oma, paula und ich.

oma sucht mal wieder ihr portemonnaie. und ihre schlüssel. oma sucht eigentlich immer irgendwas. wenn sie was nicht mehr findet, ruft sie mich, ihre enkelin an. sie ruft mich an, weil sie sich noch an mein sein, allerdings nicht mehr an meinen namen erinnern kann. früher betete sie zum heiligen christopherus. aber auch den hat sie längst vergessen.

sie ruft mich zu jeder tages- und manchmal auch nachtzeit an. meistens weint sie.
ich beruhige sie. versuche zu helfen. tröste sie. hänge auf. weine selber.
so geht das nun schon seit mehreren jahren.

noch im letzten herbst konnte sie selber einkaufen gehen. heute weiss sie nicht mehr, wo der laden ist. beruhigend ist lediglich, dass sie nicht so gut zu fuss ist. denn sonst würde sie noch mehr herum marschieren, sich verirren und man würde sie irgendwann tot auffinden. da bin ich mir sicher. gepflegt wird paula von frauen der spitex. die schauen, dass sie ihre medis nimmt, ihren müll nicht in den dorfbach schmeisst, sich regelmässig wäscht.

einmal die woche, an meinem freien tag, besuche ich paula. denn meine geliebte oma, die frau, die mich als kind vor allem bösen beschützt hat, hat längst paula platz gemacht. paula ist jetzt 84, verwitwet und lebt immer mal wieder in der zeit des zweiten weltkriegs. ich bin froh, dass ich mich in diesem thema auskenne, dank dem kann ich einschätzen, wenn paula angst hat zu verhungern oder dass irgendwas schlimmes passiert. ich trauere mit ihr um meine urgrosseltern, ihre eltern, die schon lange nicht mehr leben und die ich nie getroffen habe. für paula allerdings scheint es gestern passiert.

mein wissen über geschichte und demenz hilft mir, dass ich nicht jedes mal schreiend aus dem haus renne, mir die haare raufe und mich nicht noch schlechter fühle, als ich es jetzt schon tue. aber es schützt mich nicht vor der einsamkeit. darum schreibe ich diesen blog.

7 Gedanken zu “oma, paula und ich.

  1. Ich möchte Dir viel Kraft wünschen, dass Du Oma Paula noch so gut wie möglich begleiten kannst. Kann Dich sehr gut verstehen. Ich habe täglich mit dieser Krankheit zu tun, nicht ganz direkt aber ich bekomme sehr viel mit.

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  2. Ich kann dich sehr gut verstehen! Das Bedürfnis, in ihre Welt ein wenig eindringen zu können, wenn sie sich schon nicht mehr in unserer bewegen; die Hilflosigkeit, wenn man den Ängsten aus einer anderen Zeit kaum was entgegen setzen kann; die Angst, es passiere etwas, man könne die geliebte Person nicht schützen; das Wissen, dass wir einander immer mehr entgleiten – und dass wir gerade deswegen nicht loslassen können / dürfen. Ich wünsche euch beiden viel Kraft – und möglichst viele Berührungspunkte im Moment.

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