Schlechtes Gewissen meets Zora die Schreckliche

Heute vormittag stieg mein Handy aus.
Nichts schlimmes, mag man denken. Doch ich war danach geschockt.

Als das Ding wieder funktioniert, staune ich nicht schlecht.
Ich habe eine Sprachnachricht des Pflegeheims von Paula drauf.
Mir zittern die Knie, als ich sie abhöre.

Eine sehr nette Stimme informiert mich, dass Paula heute nacht aus dem Bett gefallen ist und sich verletzt hat. Mit Verdacht auf eine Bruchverletzung wurde sie ins Spital eingeliefert.

Mir laufen die Tränen aus den Augen.
Mit einem Mal fühle ich mich zurück versetzt in die Zeit vor sechs Jahren,
als man mich darüber informierte, dass meine Mutter todkrank im Spital liegt.

Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen.
Stehe unter Schock.
Will alles hinwerfen, zu ihr fahren.
Dann wird mir klar, dass das jetzt nichts bringt.
Ich rufe im Heim an und die Pflegende erzählt mir, was passiert ist.
Ich danke ihr für alles.

Ich arbeite weiter, weil es heute viel zu tun gibt.
Als ich Feierabend mache, fahre ich nach Hause. Ich halte auf der geraden Strecke an und atme durch. Wieder weine ich.
Ich denke nach.

Ich bin erleichtert, dass dieser Unfall nicht in Paulas Haus passiert ist, wo sie stundenlang liegen geblieben wäre. Mein allergrösster Alptraum seit Jahren ist wahr geworden, aber er hat seine Schrecklichkeit verloren. Paula ist in guten Händen.

Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich seit einem Monat nicht bei ihr war, weil ich immer gearbeitet habe oder ihr Haus aufgeräumt habe. Ich fühle mich schrecklich.

Als ich am Abend wieder anrufe, ist Paula bereits wieder im Heim. Ich hoffe so sehr, dass sie da bleiben kann. Bis zum Ende ihres Lebens. Die nächsten drei Wochen werden schwierig. Sie ist schwer pflegebedürftig. Das wird meiner Paula nicht passen.

3 Gedanken zu “Schlechtes Gewissen meets Zora die Schreckliche

  1. Ich denke, Vorwürfe musst Du Dir nicht machen. Eher nochmals betonen: Zum Glück hast Du sie aus dem Haus ins Pflegeheim begleitet! Unvorstellbar, wäre das dort passiert. Oder ein Sturz die Treppe hinunter – den Pieper hat sie ja nie tragen wollen. Sie wäre da gegebenenfalls 12 Stunden rumgelegen.

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  2. Gefühl und Verstand … den Streit kennen wir wohl alle. Und doch: Du hast dafür gesorgt, dass Paula in einem sicheren Umfeld ist. Du unternimmst alles mögliche, um neben deinem Beruf auch Paulas Haus und Umschwung zu versorgen, du bildest dich weiter, hast eine Partner und eine Katze (nicht immer in dieser Reihenfolge) – du kannst dich nicht Vierteilelen. Wie heisst es : Eine Mutter muss nicht perfekt sein, nur gut genug. Gilt das nicht auch für Enkeltöchter, welche dir Mutterrolle für demente Grosseltern übernehmen?

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  3. „Schalte“ bitte das schlechte Gewissen aus. Denn es war ja jemand direkt da und es konnte sofort Hilfe erfolgen!

    Du kümmerst Dich. Du tust alles leistbare. Dein Oma ist sicher.

    Gute Besserung für Paula und für Dich ein paar Sonnenstrahlen.

    Und (leider spreche ich da aus Erfahrung) man schafft es auch zu Hause nicht unbedingt, dem zu Pflegenden (ich habe meine Mutter bei mir plus meine 4 Kinder) so viel Aufmerksamkeit zu geben, wie dieser benötigt.Auch hier kann man es nicht immer steuern.Der Alltag bleibt und Unvorhergesehenes schlägt einem so manches Schnippchen.

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