Paula und ich haben immer offen über den Tod gesprochen. Irgendwie waren wir in dem Punkt sehr ähnlich:
Ich verbrachte als Kind einige Zeit im Krankenhaus.
Paula ist im Alter von 8 oder 12 Jahren fast an einer Hirnhautentzündung gestorben. Ihre Erzählungen über diese Zeit hörten sich jeweils hochdramatisch und sehr traurig an. Sie erzählte oft, wie schlecht es ihr ging, sie nicht mehr sprechen konnte und sich in Tobsuchtsanfällen die Haare vom Kopf riss. Der Tod war ihr also nahe und ich denke, er muss damals seinen Schrecken für Paula verloren haben.
Wir sprachen oft über meinen Bruder. Paula konnte auf sehr anschauliche Art beschreiben, dass mein lieber Bruder jetzt im Himmel sei. Dies fand ich zwar etwas speziell fand, da er doch meinem Vater zufolge in jenem kleinen Kindersarg unter der Tanne begraben war. Aber ich wagte es nicht, Paula auf diese logische Diskrepanz aufmerksam zu machen.
Paula erlebte in ihrer Ehe oft Krisen und mehr als einmal hat sie ausgesprochen, was sie gefühlt hat: sie wäre am liebsten tot. Doch dann schreckte sie jeweils zusammen und meinte, das sei dumm, denn dann hätte ich ja keine Oma mehr. Damit hatte sie irgendwie recht.
Als Paula und ich älter wurden und mein Opa starb, kam der Tod wieder näher. Aber irgendwie spürte sie, dass es nicht Zeit war zu sterben. Paula war kreativ, baute ihr Haus mit Tante Hadi um. Erst als meine Mutter starb, wurde Paula nachdenklicher. Mehr als einmal meinte sie, es wäre furchtbar, sein Kind sterben zu sehen. Es war ihr immer wieder wichtig, dass ich Bescheid weiss, wenn es einmal so weit wäre. Was sie sich wünscht. Was nicht. Der Tod verlor einmal mehr seinen Schrecken.
Während ich dies schreibe, fällt mir auf, dass ich mehrheitlich die Vergangenheitsform benütze. Seltsam. Paula lebt und erfreut sich angesichts ihres hohen Alters einer guten Gesundheit. Doch eines weiss ich ganz sicher. Solche Gespräche werde ich nie mehr mit ihr führen. Sie fehlen mir, denn ich erfuhr nie im Leben einen Menschen, der derart offen über sich selber und seine Gefühle sprechen konnte.
Es ist ein großes Geschenk, wenn ein Mensch so offen über seine Gefühle sprechen kann – besonders in der Generation Ihrer Großmutter, wo das nicht so üblich war.
Ich bin mir nicht so sicher, ob es nicht noch tiefe Gespräche zweischen Paula und Ihnen über den Tod geben wird. Auch in der Demenz gibt es noch sehr viel Unerwartetes und Überraschendes. Ich wünsche Ihnen alles Gute.
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