Mutterfarben

Wenn ich durch Frauenfelds Strassen fahre, denke ich an meine Mutter. Ihr liebes Gesicht fehlt mir. Ihre Stimme. In Gedanken sehe ich sie, wie sie läuft, grossgewachsen und dennoch leicht gebückt, mit kurzem Haar. In der Hand hält sie eine rote Denner-Tasche. Darin transportiere sie ihre Weinschlegel.

Immer trug sie bunte Oberteile, so als könnten nur Farben ihrem Lebensgefühl Form verleihen. Weisse Pullover mit roten Streifen. Regenbogenfarben. Nur ja kein braun, grau oder schwarz.

Meine Mutter war am Ende ihres Lebens keine schöne Frau mehr. Dennoch sehe ich auf den Photos, die mir geblieben sind, einen Menschen mit warmherzigen Augen und höre ihre Stimme. Ihr Dialekt, eine Mischung aus Thurgauer und Toggenburger Mundart, ihr Kichern werde ich nie vergessen.

Ich muss dran denken, wie ich vor sieben Jahren verzweifelt war. Ich bin es heute nicht mehr. Trotz des Leides durfte ich die Erfahrung machen, dass ich nicht alleine bin. Da waren so viele Leute. Besonders berührt hat mich die Fürsorge meines Vaters und seiner Frau.

Meine Mutter war kein Engel gewesen. Sie war nach der Scheidung wütend. Sie beschimpfte Menschen und machte aus ihren Gefühlen und ihrer Verletzung keinen Hehl.

Wenn ich an Mutters Wohnung vorbei fahre, werfe ich einen Blick hinauf zu jenen Fenstern, die heute geschlossen sind. Ich sehe ihr Gesicht, ihr Winken und winke zurück, obwohl da niemand mehr ist.

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