Das Schlafzimmer ist der oberste Raum im Haus. Es gibt nur noch den Estrich, aber in den muss man kriechen und klettern.
Das Schlafzimmer war türkisfarben. Seit heute ist es weiss gestrichen.
Ich brauchte Mut. Ich kenne diesen Raum aus Kindertagen. Hier haben wir Kinder und Omi geschlafen. Hier erzählten wir uns Geschichten. Ich fand es immer wieder interessant, die Wände anzuschauen. Türkis. Mint. Das Kruzifix über dem Bett. Draussen rauschte der Bach.
Für einen Moment lang habe ich gezögert. Die Wand wirklich weiss streichen? Die Farben meiner Kindheit übertünchen?
Ich tue es.
Ich zerre Heftpflaster von den Balken ab, die meine Oma angebracht hat. wollte sie damit das Haus, ihre Welt, vor dem Zerreissen schützen? Das Holz ist ungleich bemalt. Türkis. Mint. Ritzen. Risse.
Ich nehme das Barri-Poster ab. Omi hat es vor einigen Jahren aufgehängt. Darunter versteckt sind Kleber, die wohl meine Schwester und ich vor bald dreissig Jahren angebracht haben. Sie sind ganz hart, fast brüchig.
Das Streichen der Wände geht ganz leicht. Die Decke ist abgeschrägt. Ich streiche mit Inbrunst.
Mir geht durch den Kopf, dass dieser Raum nie mehr der gleiche sein wird wie in meiner Kindheit. Ich frage mich, wer hier schon alles geschlafen hat. Paula. Mein Opa wohl kaum. Meine Urgrosseltern? Die Vorbesitzerin des Hauses? Omi hat seit vielen Jahren nicht mehr hier oben geschlafen, weil der Raum unbeheizt ist.
Mit weissen Wänden wirkt das Zimmer gleich grösser. In wenigen Wochen werden wir hier die Nächte verbringen. Ich freue mich.