Vanillefarbene Melancholie

Ich liebe Confiserien über alles.
Wenn ich mein Wunschdasein mit einem Ladengeschäft beschreiben müsste, so wäre es eine Confiserie.

Hier treffen sich Menschen jeglichen Alters. Sie können im Café miteinander reden, wunderbaren Kaffee trinken und dazu Tortenstücke essen. In einer Confiserie gibt es köstlichste Süssigkeiten, Salzgebäck und Pralinen. Mitte der 90er Jahre habe ich in einer längst verschwundenen Frauenfelder Confiserie eine Lehre als Verkäuferin gemacht.

Rückblickend waren das die zwei schönsten Jahre meiner Jugend, mitten in der Pubertät und den Wirren des Abschieds von zuhause. Meine Eltern waren längst getrennt und mein erstes Kapitel als junge Frau fand in diesem uralten Geschäft statt.

Ich hatte meine Lehrmeisterin sehr gerne. Sie war mir Lehrerin, Mutter und Verbündete. Sie war ein e resolute ältere Dame. Mein Leben, meine Schwärmereien interessierten sie. Sie hatte für jede Lebenslage Ratschläge und trostreiche Worte. Die Alkoholkrankheit meiner Mutter fand sie schlimm, aber sie hat mir nie deswegen Vorwürfe gemacht, so wie es vielleicht andere taten. Im Gegenteil. Sie sagte: du kannst nicht in einen anderen Menschen hineinsehen.

In einer Confiserie tragen alle Uniformen.
Die Frauen damals in der Backstube trugen Kochschürzen, die Frauen im Laden weisse Blusen, Schürzchen und Jupes. Alles hatte seine Ordnung. Farben. Geschmäcker. Schachteln. Säckchen.

Manchmal denke ich mir: in mein Leben darf auch jeder treten, der sich anständig benimmt, die Regeln meines Geschäfts beachtet, keine Sauornig anrichtet und sich beim Verlassen des Geschäfts verabschiedet. Menschen, die keine Süssigkeiten, keine kulinarischen Kostbarkeiten, mögen, sind bei mir wohl im falschen Geschäft.

Schon als kleines Mädchen besuchte ich mit meinem Omi Kaffeehäuser. Oft bekam ich eine heisse Ovi und ein Schöggeli. Omi bestellte sich immer eine Schale. Die Serviererinnen und Verkäuferinnen in ihren Uniformen fand ich grossartig.

Wenn ich heute in ein Kaffeehaus gehe, werde ich jeweils von einer gewissen Melancholie eingeholt. Ich vermisse meine Besuche und die Gespräche mit Omi über Gott, die Welt und Prinzessin Di. Ich bin traurig, wenn ich andere Frauen in meinem Alter mit ihren Müttern sehe. Zu gerne würde auch ich mit meiner eigenen Mutter an einem Tischchen sitzen und mich über die Konsistenz von St. Honoré-Torte und den Gehalt von Rum in Savarins unterhalten.

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