Café-Liebe

Omi und ich liebten es, uns in Cafés zu treffen.
Ganz egal, ob in Wattwil, Wil, Frauenfeld oder Lichtensteig: ohne einen feinen Kaffee endeten unsere Treffen nie.

Jetzt, wo Omi nicht mehr da ist, spüre ich jedes Mal einen Stich, wenn ich an einem „unserer“ Cafés vorbei gehe. Zwar sind wir fast fünf Jahre nicht mehr miteinander eingekehrt. Trotzdem fühlt es sich seltsam an. Omi fehlt.

Meine erste Lehre machte ich in einer Confiserie als Verkäuferin.
Dieses Geschäft gibt es längst nicht mehr. Auch meine Lehrmeisterin, die nur wenig jünger war als mein Omi, lebt nicht mehr.

Ich glaube, Omi war damals richtig stolz auf mich, dass ich in so einem schönen Geschäft, in weisser Bluse, kurzem schwarzem Rock und gestärktem Schürzchen arbeitete. Ich erinnere mich daran, dass sie mir bei Lehranfang Mamis Service-Schürzchen vorbei brachte.

Meine Liebe zu schönen Dingen, edlem Kitsch und eleganter Damenkleidung habe ich wohl von Omi geerbt. In meinem jetzigen Beruf in der Pflege brauche ich jedoch solche Dinge nicht mehr. Omi hat das nie gestört. Sie fand immer, dass ich mit meiner Arbeit dazu beitrage, dass Menschen ein schöneres Leben haben.

Omi hat dazu beigetragen, dass ich eine schöne Kindheit hatte. Wenn ich in einem Café sitze, denke ich an unsere Erlebnisse zurück. Gerne würde ich noch einmal mit Omi draussen an der Sonne sitzen, eine Schale trinken und über Gott und die Welt diskutieren.

Lehrjahre

Ich war gerade 17 Jahre alt geworden, als ich in Frauenfeld, in einem kleinen Familienbetrieb, meine Lehre als Confiserie-Verkäuferin begann. Meine Eltern hatten sich kurz zuvor getrennt und ich steckte in der tiefsten und wirrsten Pubertät, die man sich vorstellen kann. Und Akne sowie eine fette Spange im Mund hatte ich auch.

Ich liebte meine Lehre, mein Lehrgeschäft und meine Lehrmeisterin war ein grosses Vorbild für mich. Sie war direkt, freundlich, kreativ und konnte wunderbar Geschichten erzählen. Ich ging immer gerne arbeiten und freute mich über all das, was ich dort lernen durfte. Doch all das bedeutete noch mehr für mich: ich fand in meiner Lehrmeisterin und ihrem Mann zwei Menschen, die ein offenes Ohr für mich hatten und denen es scheissegal war, woher ich kam. Nur meine Leistung, meine Noten und mein Wesen zählten.

Ich habe mich recht geschämt, wenn meine Mutter in mein Lehrgeschäft kam, um einzukaufen. Ich hatte Angst, man würde bemerken, wenn sie betrunken war. Für meine Lehrmeisterin war das kein Thema. Nachdem ich ihr das erzählt hatte, war das ok. Ich lernte dank ihr, dass Dinge ansprechen eine gute Sache ist. Ich musste mich nicht wegen meiner Mutter schämen. Das sagte sie mir sehr klar und genau das musste ich damals hören.

Die zwei Jahre Lehre gingen viel zu schnell vorbei. Ich schloss erfolgreich ab und verliess das Geschäft. Nicht immer hatte ich das Glück, so tolle Chefs zu haben. Manchmal war es wirklich schwierig für mich. Sehr oft dachte ich an die Menschen, die in der Confiserie arbeiteten. Für mich waren sie wie eine Familie geworden. Wann immer ich kann, besuche ich schöne alte Confiserien, denn der Geruch von dunkler Schokolade, das Geräusch knisternden Papiers und Regale voller Geschenkspackungen fehlen mir zu meinem Glück.

Meine Arbeitshaltung, meine Werte und mein Umgang mit Lernenden sind sehr von dieser ersten Erfahrung mit meiner Lehrmeisterin geprägt. Gerade an Weihnachten, wenn auch in der Pflege alles drunter und drüber geht, denke ich jeweils an meine Lehrmeisterin und daran, wie sehr sie den Betrieb an Weihnachten, den „Stress“ und die viele Arbeit geliebt hat. Dann muss ich lächeln.

Mein Lehrgeschäft existiert seit vielen Jahren nicht mehr. Die schöne Inneneinrichtung des Ladens ist verschwunden und hat einem Restaurant Platz gemacht. Und seit ein paar Tagen lebt nun auch meine Lehrmeisterin nicht mehr. Ich denke fest an sie und bin unglaublich dankbar, dass sie mir damals die Chance gab, bei ihr in die Lehre zu gehen.

Alles Liebe und gute Reise Ihnen. ❤

Vanillefarbene Melancholie

Ich liebe Confiserien über alles.
Wenn ich mein Wunschdasein mit einem Ladengeschäft beschreiben müsste, so wäre es eine Confiserie.

Hier treffen sich Menschen jeglichen Alters. Sie können im Café miteinander reden, wunderbaren Kaffee trinken und dazu Tortenstücke essen. In einer Confiserie gibt es köstlichste Süssigkeiten, Salzgebäck und Pralinen. Mitte der 90er Jahre habe ich in einer längst verschwundenen Frauenfelder Confiserie eine Lehre als Verkäuferin gemacht.

Rückblickend waren das die zwei schönsten Jahre meiner Jugend, mitten in der Pubertät und den Wirren des Abschieds von zuhause. Meine Eltern waren längst getrennt und mein erstes Kapitel als junge Frau fand in diesem uralten Geschäft statt.

Ich hatte meine Lehrmeisterin sehr gerne. Sie war mir Lehrerin, Mutter und Verbündete. Sie war ein e resolute ältere Dame. Mein Leben, meine Schwärmereien interessierten sie. Sie hatte für jede Lebenslage Ratschläge und trostreiche Worte. Die Alkoholkrankheit meiner Mutter fand sie schlimm, aber sie hat mir nie deswegen Vorwürfe gemacht, so wie es vielleicht andere taten. Im Gegenteil. Sie sagte: du kannst nicht in einen anderen Menschen hineinsehen.

In einer Confiserie tragen alle Uniformen.
Die Frauen damals in der Backstube trugen Kochschürzen, die Frauen im Laden weisse Blusen, Schürzchen und Jupes. Alles hatte seine Ordnung. Farben. Geschmäcker. Schachteln. Säckchen.

Manchmal denke ich mir: in mein Leben darf auch jeder treten, der sich anständig benimmt, die Regeln meines Geschäfts beachtet, keine Sauornig anrichtet und sich beim Verlassen des Geschäfts verabschiedet. Menschen, die keine Süssigkeiten, keine kulinarischen Kostbarkeiten, mögen, sind bei mir wohl im falschen Geschäft.

Schon als kleines Mädchen besuchte ich mit meinem Omi Kaffeehäuser. Oft bekam ich eine heisse Ovi und ein Schöggeli. Omi bestellte sich immer eine Schale. Die Serviererinnen und Verkäuferinnen in ihren Uniformen fand ich grossartig.

Wenn ich heute in ein Kaffeehaus gehe, werde ich jeweils von einer gewissen Melancholie eingeholt. Ich vermisse meine Besuche und die Gespräche mit Omi über Gott, die Welt und Prinzessin Di. Ich bin traurig, wenn ich andere Frauen in meinem Alter mit ihren Müttern sehe. Zu gerne würde auch ich mit meiner eigenen Mutter an einem Tischchen sitzen und mich über die Konsistenz von St. Honoré-Torte und den Gehalt von Rum in Savarins unterhalten.