Zum ersten Mal werde ich dieses Jahr zwei Gräber zu Allerheiligen richten. Natürlich hab ich gewusst, dass das irgendwann so kommt. Aber seltsam ist es trotzdem.
Ich bin protestantisch erzogen worden und habe wenig Ahnung von katholischen Riten. Omi Paula jedoch hat immer Wert darauf gelegt, dass wir zu Allerheiligen was auf Opas Grab tun. „Aber Opi war doch auch nicht katholisch!“, hab ich ihr jeweils gesagt. Omi entgegnete immer das Gleiche: „Das isch mir schiissegliich. “** und dann „Es git nume ein Herrgott!“ Das hat sie übrigens auch gesagt, als ich zur Kirche ausgetreten bin.
So sind wir beide jeweils auf den Friedhof gedackelt, haben ein Gesteck auf Opis Grab nieder gelegt, Omi zündete ein Kerzchen an und betete ein Vaterunser, und dann sind wir wieder gegangen. Als Mami starb, also kurz vor Allerheiligen, sind Omi und ich ebenfalls abends auf den Friedhof gegangen. Nun erlebte ich diese Pflicht mit einem Mal anders. Meine Wunden waren noch frisch, der Schock über ihren Tod gross. Gemeinsam haben Omi und ich diesen Gang geschafft und ich fühlte mich getröstet.
Omi war immer sehr enttäuscht, wenn ich Allerheiligen nicht vorbeikommen konnte. Doch im Gegensatz zum Kanton St. Gallen ist Allerheiligen im Thurgau kein Feiertag. Omi hat das nicht akzeptiert.
Als Omi im Pflegeheim lebte, habe ich ihr versprochen, dass ich Mamis Grab für Allerheiligen vorbereite. Das war ihr ein Herzensanliegen. Irgendwann hat Omi gemeint: „Du machst es dann auch für mein Grab, gell?“
Nun liegt Omi selber auf dem Grabfeld und ich weiss, ich muss da an Allerheiligen hin, weil es für sie wichtig war und für mich wurde. Ich habe zwei Gestecke gekauft und werde diese auf die Gräber meiner Lieben legen und fest an sie denken.
**„Das ist mir scheissegal.“
Ich gehe an Allerheiligen oder Allerseelen auch auf den Friedhof, obwohl ich evangelisch-reformiert bin, denn ich habe ja auch katholische Tote. Abgesehen davon finde ich diesen Brauch sehr schön und tröstlich.
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