Omi ist jetzt fast anderthalb Jahre nicht mehr unter uns. Aber vergessen ist sie nicht.
Vergangenen Montag durfte ich im wunderschönen Altersheim St. Urban in Winterthur-Seen aus „Demenz für Anfänger“ vorlesen und spürte einmal mehr, wie wichtig es ist, dass Angehörige über die Demenz ihrer Liebsten sprechen.
Ich war schon etwas nervös, wie es nun werden würde. Ich durfte nach zwei versierten Fachpersonen, Herrn Dr. Oliver Kellner, einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Schwerpunkt Alterspsychiatrie und Neurologie und Frau Christina Krebs, der Geschäftsleiterin der Alzheimervereinigung Kanton Zürich, auftreten und aus „Demenz für Anfänger“ vorlesen.
Es ist schon sehr seltsam, aber Omi ist mir bei solchen Auftritten sehr nahe: Ich stelle mir jeweils vor, sie sitzt in der hintersten Reihe und lächelt mir aufmunternd zu. Dann ist es ein wenig wie damals, als ich mit acht oder neun Jahren im Schultheater auftrat, nur dass ich hier weder den Hahn aus „Die Bremer Stadtmusikanten“, noch „dä Zfrideni“ aus „Das Hemd eines Zufriedenen“ spiele.
Ich lese unsere Geschichte vor.
Manchmal erscheint es mir, als wäre alles erst gestern gewesen, wie wir hier auf der Terrasse sassen. Ich war neun, lief an Stöcken nach meiner Hüft-OP, hatte starke Schmerzen, derweil Omi und Opi alles versuchten, dass ich nicht so leiden musste. Nun sitze ich da, mit grossen Narben an den Beinen, bin 40 und denke an die beiden, die nun schon so lange nicht mehr da sind und mir so oft fehlen.
Eines von Omis wichtigsten Anliegen war immer: “Bitte, vergiss mich nicht.“
Das werd ich nicht.
Ich bin froh, dass durch das Buch so viele Menschen ihre eigenen Demenzkranken nicht vergessen, sich an ihre gemeinsame Geschichte erinnern. Ich darf an diesen Gedanken teilhaben und fühle mich verstanden, denn es braucht nur wenig Worte unter Menschen, die das gleiche erlebt haben.
Das alles macht mich seltsamerweise glücklich und irgendwie empfinde ich Gespräche anschliessend an Lesungen immer als einen sanften Gruss von Omi.