Ich, die Vatertochter.

Wahrscheinlich bin ich das, was man eine „Vatertochter“ nennt. Schon in frühen Jahren stand ich meinem Vater näher als meiner Mutter. Vielleicht lag das daran, dass sie beide einen Sohn verloren hatten. Als Erstgeborene hatte ich plötzlich mehrere Rollen auszufüllen.

Mein Vater hat mich insofern geprägt, als dass er mich zu beruflicher Unabhängigkeit motivierte. Es schien für ihn nichts Mühsameres zu geben, als eine Frau, die in der Ehe von ihrem Mann finanziell abhängig ist. Er sagte zu mir: „Lass dir einfach nie auf die Kappe scheissen von einem Typen.“
Welchen Beruf ich lernen sollte, war ihm recht gleichgültig. Ich durfte das tun, was ich liebte und wonach mir der Sinn stand.

Sehr gerne wäre ich Archäologin geworden. Das war von allen Berufen, die ich im Alter von acht Jahren kannte, der liebste. Ich liebte das Buddeln in der Erde, mir war nichts zu schmutzig.
Der zweite Beruf, den ich gerne gelernt hätte, war jener der Schriftstellerin. Ich stellte mir dies wunderschön vor: Stundenlang an einer Schreibmaschine sitzen (unsere hiess Daniela) und sinnierend zu tippen. Jahre später, ich besass bereits einen PC, erfuhr ich dann an am eigenen Leib, wie anstrengend und zehrend dies sein kann.
Schliesslich bewarb ich mich in einer Confiserie, weil ich Schokolade und andere wunderschöne Sachen aus Teig und Schokolade immer sehr bewundert und geliebt habe. Mein Vater trug meinen Entscheid mit und besuchte mich mit seiner Frau manchmal sogar samstags in meinem Lehrgeschäft. Es gab die besten Crème- und Rahmschnitten und die unvergesslichen Nusstörtli. Die vermisse ich heute noch. Sehr.

Das ist nun über 20 Jahre her und ich bemerke, das sehr vieles an mir vorbei gezogen ist und sich verändert hat. Meine Liebe zu schönen lauten Tastaturen, wunderbarer Schokolade und zur Archäologie ist geblieben. Geblieben sind auch meine Erinnerungen an damals, an meine Mutter, meine Omi und all jene Menschen, die mich damals geprägt haben. Einige dieser Menschen leben leider nicht mehr und ich vermisse sie sehr.

Gelernt habe ich schliesslich als Zweit-Beruf Agogin, was heute gendergerecht „Fachfrau/Fachmann Betreuung“ oder in kurz Form FaBe heisst. Seltsamerweise habe ich in dieser Berufsausübung alles gefunden, was mich (heute) glücklich macht. Ich befasse mich mit Sprachen, Technik, menschlichem Verhalten, lebenslangem Lernen, Kommunikation und PR. 1999, als ich in diesen Berufszweig einstieg, hätte ich all das nie gedacht. Alles verändert sich so schnell, dass man – rückblickend – fast nicht mitkommt.

Was mir ebenfalls bleibt, ist der Wunsch, andere Frauen zu unterstützen in der Umsetzung ihrer Träume und Wünsche. Diese Arbeit macht mich glücklich, denn sie bringt uns alle voran.
Frauen sind das Salz der Erde.