Als ich so zwölf Jahre alt war und in die Pubertät kam, war ich gezwungen, mich damit auseinanderzusetzen, dass ich nicht begehrenswert war. Die hübschen Mädchen waren blond, hatten ebenmässige Zähne und eine grazile Gestalt. Ich entsprach dem nicht ganz.
Ich war ein grosses, damals noch dünnes Mädchen mit raspelkurzen Haaren, einer dicken Brille und krummen Zähnen. Nur gerade meine Brüste verrieten, dass ich kein Junge war.
Das alles hat mich aber nicht gestört.
Erst in der Badi wurde mir bewusst, dass ich anders war als die anderen. Nur gerade drei Jahre war es her, seit meine Hüften operiert worden waren. Hüftdysplasie von Geburt an. Aufgrund meiner schlechten Wundheilung blieben an beiden Beinen grosse, wulstige Narben zurück.
Es fing damit an, dass besonders ältere Menschen mich deswegen anpöbelten. Sätze wie: „Gopf, ist das hässlich. Wie kann man dieses Kind nur so herumlaufen lassen“, waren keine Seltenheit. Nie hat meiner gefragt, wies passiert ist. Nein. Ich sollte es nur zudecken. Blicke auf meine Beine fand ich irgendwann so schlimm, dass ich nicht mehr schwimmen ging.
Meiner Oma fiel natürlich auf, dass ich mich so schämte. Sie wollte das nicht akzeptieren. Paula sagte zu mir, ich müsste eben etwas Träfes entgegnen. Wir übten miteinander.
„Was hast du denn da für komische Schnitte an den Beinen?“, fragte mich Paula gespielt höhnisch. „Das ist ein Reissverschluss, um die Knochen zu wechseln, wenn ich alt werde, so wie du.“
Paula umarmte mich.
„Du machst das gut. Und jetzt gehst du wieder zum Schwimmen.“
Klasse Frau! Ich wünschte mir, so etwas hätte mir jemand nach meinen Knie-OPs gesagt. Ich ging, wenn überhaupt, mit Kaftan bis ans Beckenrand, damit keiner die hässlichen Narben sehen und blöse Sprüche machen könnte …
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