Samstag

Den 7. Januar 1997 werde ich nie vergessen.
An diesem Tag, um Punkt acht Uhr, verstarb mein Opi Walter.
Ich war nicht dabei, Omi schon.

Es ging Opi nach Silvester und Neujahr immer schlechter.
Er wurde zunehmend schwächer. Er litt an Leberkrebs und sein grösster Wunsch, in seinem eigenen Bett zu sterben, wurde erfüllt. Täglich kam eine Pflegende der Spitex vorbei um Opa zu waschen und ihm Morphium zu geben.

Omi war einfach an Opas Seite.
Es muss sehr schwer für sie gewesen sein, zuzuschauen wie der Mann, mit dem sie fast 46 Jahre verheiratet war, langsam starb. Omi und Opa hatten die letzten Jahre oft gestritten. Ich weiss, beide waren unglücklich. Sie blieben zusammen. Eine Scheidung wäre für beide wohl nie in Frage gekommen. Sie hätten es sich nicht mal leisten können.

Opa hatte in der Nacht auf den 7. Januar grosse Atemprobleme. Seine grösste Angst war zu ersticken. Omi versuchte alles, um ihm die letzten Stunden erträglich zu machen. Sie hielt seine Hand. Sie streichelte ihn. Sie redete mit ihm, der nicht mehr sprechen konnte. Sie verzieh ihm alles und er ihr. Dann machte er seinen letzten Atemzug und starb.

20 Jahre später ist alles anders und doch gleich.
Omi lebt. Sie liegt in ihrem Bett, wirkt wacher, aber auch müde. Sie ist ruhig. Gestern nachmittag hat sie ein Schoggijoghurt gegessen. Sie kann zwar nicht reden, aber dafür zeigen, was sie nicht will.

Ich versuche an ihrer Seite zu sein. Nicht immer. Aber eine Stunde pro Tag bin ich da.
Es gibt nichts, was wir einander vergeben müssen. Wir haben immer geredet und sind nie im Streit auseinander gegangen. Ich bin ruhig, wenn auch sehr traurig. Ich bin Omi dankbar, dass das Loslassen von ihr nicht so schlimm ist wie damals bei meiner Mutter. Omi weiss, wie schrecklich das für mich war.

Am Ende eines Lebens haben viele Dinge ihren Wert verloren. Es geht nicht um Geld, Geschenke, Aussehen, sondern um Zeit und Liebe. Es geht um Berührung und unaufdringliche Präsenz.

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