Winterbach

Ich mag den blauen Himmel und die schneebedeckten Hügel des Toggenburgs.
Gestern waren wir in der Migros Wattwil einkaufen. Omi und ich waren oft dort. Sie liebte Einkaufen. Der Laden hat sich verändert, seit ich mit Omi da war. Es ist alles moderner geworden und manchmal denke: Omi, da wärst du nicht mehr klar gekommen.

Wenn ich am Joghurt-Regal vorbei laufe, lächle ich. Himbeer-Joghurts hat sie so sehr geliebt. Und Milchschnitten. Für einen Moment lang will ich danach greifen. Ich denke, das bringe ich nachher mit. Das kann sie gut beissen.

Dann fährt es mir in den Kopf: sie ist nicht mehr.

Als wir aus der Tiefgarage fahren, ist mein erster Impuls, links abzubiegen. In Ebnat-Kappel hat Omi die letzten Jahre verbracht. „Schnell bei Omi vorbei schauen“, denke ich.

Es tut weh, wenn einem bewusst wird, dass ein Kapitel des eigenen Lebens unwiderruflich abgeschlossen ist. Nie mehr Omi im Pflegeheim besuchen. Keine Umarmung mehr.

Im Alltag fehlt sie mir sehr, auch wenn wir nicht mehr so viel Zeit miteinander verbracht haben wie während meiner Kindheit. So vieles erinnert mich an sie. Der Zug. Die Läden. Die Strassen.

Der Bach neben unserem Haus friert langsam zu. Es ist ein seltsames Schauen. Ich denke: gell, Omi, es war dir einfach zu kalt. Aber irgendwann blühen wieder die Rosen und der Schnee macht dem hellen Grün der Wiese Platz.

7 Gedanken zu “Winterbach

  1. Diese Lücke, die wehtut und glücklich macht, den vermissten Menschen gekannt zu haben. Diese Seite der Trauer ist so unfassbar … Na ja, Trauer ist überhaupt unfassbar.
    Dein Text macht schmerzhaft deutlich, wie verwoben unsere Leben mit denen anderer sind.

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  2. ich lese gerade ein sehr spannendes Fachbuch von Erika Schärer-Santschi übers Trauern. Es ist sehr spannend, was mit dem Gehirn abläuft, wenn wir versuchen, einen Verlust zu verarbeiten.

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  3. Ich versteh dich. Immer wenn ich am Altenheim vorbeikomme, in denen meine Eltern gelebt hatten und auch gestorben sind, dann schaue ich zum Fenster, hinter der meine Muddi einst wohnte und sehe nach, ob der Vorhang schon auf ist. Ich hab dann das Ritual, meine Eltern zu begrüßen. Natürlich nur in mir drinnen. LG Hanna

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  4. Oh, klingt spannend. Über die Hirntätigkeit bei Glück und bei Meditation habe ich schon einiges gelesen, bei Trauer nicht.
    Dass Tränen gewisse trauerfördernde Stoffe enthalten resp. freisetzen, weißt du bestimmt längst.
    Trauer ist von unserm Organismus vorgesehen, Körper und Seele sind von Natur aus für schwere Zeiten „eingerichtet“. Darum finde ich es so wichtig, darüber zu schreiben, auszutauschen. Dem Tod seinen Schrecken zu nehmen.
    Danke für den Buchtipp.

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  5. Ich verstehe dich so gut!! Nach über einem Jahr will ich meiner besten Freundin noch immer Kugelschreiber auf Messen mitbringen, sehe Sprüche auf Postkarten und will sie ihr schicken. Und immer tut es weh und tröstet mich zugleich, wenn ich in Hamburg – ihrer Stadt bin…
    Wir müssen versuchen, diese schreckliche Lücke mit Erinnerungen und Liebe – ganz viel Liebe für sie – zu füllen. ❤

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