Von körperlichen und seelischen Schmerzen

Seit Omis Tod hat sich viel verändert.
Ich habe mir oft Sorgen um sie gemacht, seit sie gehen durfte, fühle ich mich erleichtert.
Das hat auch körperliche Auswirkungen. Ich treibe mehr Sport als früher, spüre heute sehr viel schneller, wenn ich mir zu viel zumute oder aber mich zu wenig bewege.

Das hat auch Auswirkungen auf meinen Geist. Ich lese viel, vorzugsweise Bücher, die ich rezensiere oder aber Zeitungen. Wenn ich frühmorgens nicht mein Toggenburger Tagblatt lesen und mich informieren kann, bin ich schlecht gelaunt.

In einem Gespräch mit meinem Vater horchte ich auf. Er erzählte mir, wie sehr er immer auf seinen Körper geachtet hat. Er hat praktisch nie geraucht (ausser im Sommer Stümpli, um die Mücken zu vertreiben), er trinkt auch nur wenig Alkohol, er achtet darauf, was er isst. Nun ist er mit 70 Jahren gesundheitlich angeschlagen und meinte, dass er sehr viel verzichtet hat. Trotzdem hat er nun Schmerzen und Mühe zu sich bewegen, und das als ehemaliger Ausdauersportler.

Bei mir ist das anders: ich wurde mit einer beidseitigen Hüftdysplasie geboren und Schmerzen haben mich durch meine ganze Kindheit, Jugend und Erwachsenenjahre begleitet. Als Kind konnte ich die reibenden Gelenkschmerzen nicht einordnen und ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass ich jemals Schmerzmittel erhalten hätte.

Als ich mit neun Jahren dann mehrere Male operiert wurde, habe ich gar nicht richtig verstanden, was mit mir geschieht. Die Schmerzen nach den OP’s waren der absolute Horror. Auch heute noch träume ich manchmal davon, wie ich im Spital Frauenfeld liege, Durst habe, mich nicht mehr bewegen und vor Schmerzen nicht mehr sprechen, geschweige denn schreien kann.

Nach den Operationen brauchte ich jeweils lange, bis ich wieder laufen konnte. Wenn jeder Schritt schmerzt und man sich seines Körpers nicht mehr sicher sein kann, ist Lernen schwer. Wenn Schmerzen einen täglich beschäftigen, wird man irgendwann krank. Die Schulzeit war für mich kein Spass. Ich fühlte mich behindert.

Als ich vor einigen Jahren mit Krafttraining anfing, beriet mich eine Trainerin, wie ich meine Beine stärken und einen Weg finden könnte, mich mit meinen schmerzenden Narben zu arrangieren. Ich fühle mich deshalb mit 41 stärker als je zuvor. Das ist ein schönes Gefühl.

Trotzdem kann ich verstehen, wie es meinem Vater geht. Denn das Gefühl der inneren Versehrtheit kenne ich nur zu gut.