Die letzten zwölf Monate vergingen wie im Flug. Seit einem Jahr bin ich nun gefühlt eine Waise.
Mein Vater fehlt mir noch immer sehr, aber nicht mehr so stark wie noch vor einem Jahr. Es scheint, als könnte ich ihn nun langsam loslassen.
Mir war bewusst, ich bin eine Vatertochter, und das durch und durch. Ich weiss natürlich, wie negativ dieser Begriff besetzt ist. Doch ist er für mich passend.
Mein Vater hat mich zu vielen Anlässen seiner Vereine mitgenommen und es war nie ein Thema für ihn, dass ich ein Mädchen war. Er hat da nicht gross in Schubladen gedacht.
Er war beschützend und gleichzeitig fordernd, was meine körperlichen Grenzen anging. Er hat nie still akzeptiert, dass ich als Kind drei Hüft-OPs hinter mich brachte und wieder lernen musste zu laufen. Er wollte, dass ich rennen kann.
Erst viele Jahre später erfuhr ich, wie viele Sorgen er sich gemacht hat, dass ich nie wieder laufen lernen würde. In der Sache hat er sich geirrt und wenn er wüsste, wie ich jetzt durch steiles Gelände latsche und mich unter vom Sturm gefällten Bäumen durchquetsche, würde er es wohl nicht glauben.
Mein Vater hat immer – selbst als er schwer erkrankt war – an meinem Leben teilgenommen. Unser letztes gemeinsames Jahr wurde uns genommen und ich bereue, dass ich nicht mehr an seiner Seite sein konnte.
Die ersten Monate nach seinem Tod waren sehr schwer für mich. Ich fiel in ein Loch und trauerte stark. Er fehlt mir sehr. Er fehlt mir, wenn ich den Säntis und die Churfirsten sehe und daran denke, wie wir gemeinsam wandern waren. Er fehlt mir jedes Mal, wenn ich an Orten vorbei fahre, die uns beiden etwas bedeuten.
Zu gerne würde ich ihn einfach anrufen und ihn fragen, wie es ihm geht. Kurz darüber reden, was ich gerade mache und wie es mir geht. Seiner schönen, lieben Stimme zuhören, einer Anekdote lauschen, die ich bis anhin nicht kannte.
Ich habe viele schöne Erinnerungen an ihn. Die meisten stammen aus meiner Kindheit, dann aus späteren Jahren.
Mein Vater war für mich immer ein Vorbild an Stärke und Empathie, an Liebe und Klugheit.
Die letzten Jahre seines Lebens widmete er, neben der Auseinandersetzung mit seiner Krankheit, der Ornithologie. Er erkannte viele Vogelarten, beobachtete sie gerne und hielt sich gerne draussen auf. Mit ihm erblickte ich zum ersten Mal Eisvögel und seine Liebe zu Greif- und Rabenvögeln hat mich ebenfalls sehr geprägt.
Ohne ihn ist vieles anders. Doch seine Liebe bleibt.