Heute ging ich das Grab meiner Mutter bepflanzen. Es ist eigentlich eine sinnlose Sache, denn sie hat sich nie eines gewünscht. Ihre Asche hätte ich irgendwo auskippen sollen, Ich habs nicht gemacht.
Sie mochte Farben über alles. Je bunter, je wilder, desto besser. Ihr Grab soll auch so aussehen. Lebensfroh. Keine Traurigkeit, dass sie nicht mehr da ist. Dankbarkeit, dass sie mich geboren hat und da war.
Das fällt mir schwer.
Auf dem Friedhof steht ein Verkaufsregal. Rosen. Herzen. Muttertag. Ja, mein Gott. Was soll ich denn jetzt noch so was für sie kaufen? Sie sieht es ja nicht.
Ich räume das Grab ab. Dabei fallen mir drei rote Rosen aus Plastik auf. Die waren im Herbst noch nicht da. Ich dachte, ich wäre die Einzige, die noch ihr Grab aufsucht. Oma kann schon lange nicht mehr hingehen und sie wüsste nicht einmal mehr, wer unter dem Stein begraben liegt.
Da der Friedhof nur zwei Minuten vom Haus weg ist, beschliesse ich, noch vorbei zu fahren. Von der Hauptstrasse aus kann man das Haus kurz sehen. Das Gartentor steht offen. Also halte ich an und gehe den Weg herunter.
Der Weg ist verwachsen. Die Wiese blüht. Das Gras steht hoch. Ich laufe um das Haus herum. Mit einem Mal stehe ich kurz vor einem Tränenausbruch.
Ich sollte jetzt hier leben. Ich sollte jetzt die Wiese mähen, den Garten bepflanzen. Alles spriesst. Unter dem Dach haben sich Spatzen eingenistet. Ich kann ihre Brut hören. Mir scheint, als zieht schon wieder alles an mir vorüber. Die Warterei zehrt an meinen Nerven. Ich hatte so sehr gehofft, dass ich bereits im Mai den Kaufvertrag unterschreiben kann. Doch wieder muss ich warten. Es wird nicht vor dem Herbst der Fall sein.
Im Herbst das Haus zu räumen, ist Irrsinn. Es wird zu kalt sein. Wir werden es nicht schaffen, die Küche zu renovieren vor dem Winter. Ohne anständige Küche werden wir erst im nächsten Frühling einziehen können. Ich bin wütend.
Das Haus lassen meine Tränen kalt. 175 Jahre lang steht es schon hier. Ein Jahr mehr oder weniger leer leben, macht ihm wohl nichts aus. Mir schon. Ich habe Träume. Wünsche. Ich will endlich dort leben.
In einem Anfall von Wut jäte ich den verwachsenen Weg. Dann geht es mir wieder besser.
Ein Gedanke zu “Unruhe und Wut”