Ich denke, die Mutter vermisst man selten so sehr wie am Geburtstag, denn das ist ja schlussendlich die Sache, die einen zu 100% mit einander verbindet. Es geht mir nicht anders.
Ich kann mich allerdings nicht mehr wirklich daran erinnern, wann wir das letzte Mal ein Geburtstagsfest miteinander verlebt haben. Als Kind war ich an meinem Geburtstag immer in den Ferien bei Omi und Opi im Toggenburg und als Erwachsene versuchte ich, meiner Mutter an diesem Tag aus dem Wege zu gehen. Ich bereue das heute ein wenig. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Menschen konnte meine Mutter so sehr feiern, wie sie litt.
Mir war das alles immer zu nah.
Heute, wo ich in einem Alter bin, wo sie bereits drei Kinder geboren und zwei verloren hatte, sehe ich das anders. Ich frage mich, wo sie einen Ausgleich fand zu ihrem Leben. Wie sie versucht hat, ihre Ängste zu verarbeiten. Ihre Texte, die ich erst nach ihrem Tod gefunden habe, zeigen eine unglaubliche Neugier. Eine Liebe zum Leben. Eine Leidenschaft fürs Verliebtsein. In diesem Punkt sind wir uns verdammt ähnlich.
Ich hätte sie so gerne hier, jetzt. Ich würde mich gerne an sie anlehnen. Sie würde über mein Haar streichen und finden, es sei zu lang. Ich hingegen würde ihr kurzes blondiertes oder gefärbtes Haar verstrubbeln und versuchen, sie auszukitzeln. Denn das ist mir zu ihren Lebzeiten nie gelungen.