Die Schwermut überholt mich jedes Jahr in dieser Zeit, selbst wenn ich mir vornehme, glücklich zu sein und an nichts zu denken. Es scheint in meinen Genen zu liegen, diese Traurigkeit im September.
Bald 38 Jahre ist es her seit seiner Geburt. In meinen Augenwinkeln sehe ich meine glückliche Mutter. Sie strahlt und hält ihren prallen Bauch. Immer wieder ist es dieses Bild, das ich vor Augen hab. Sie ist glücklich. Sie erwartet ihr zweites Kind. Sie ist 28 Jahre alt. Ich bin nicht mehr alleine. Ein Geschwister.
Doch der Traum zerbricht. Sie verschwindet im Spital und kommt als komplett veränderter Mensch zurück. Sie ist noch immer meine Mutter. Doch etwas und alles in ihr ist zerbrochen. Nie mehr wird sie die gleiche sein wie vorher. Alles, was vorher war, ist mit einem Mal weg. So als wäre sie tot.
An ihrer Seite ist mein Bruder nicht. Er liegt in einem kleinen weissen Sarg, gleich einer Schuhschachtel und verschwindet alsdann in jenem Grab, das bald von einem seltsamen Nadelgehölze überragt wird. Ich sehe ihn niemals lebend. Es scheint, als wäre allein das Wissen, dass er gelebt hat, ohne dass ich mich jemals von seinem Dasein überzeugen konnte, verwirrend.
Mein bruderloses Leben dauert weitere zwei Jahre, in denen ich meine Mutter als vollends traurigen Menschen erlebe. Wie hat sie es nur geschafft, all das zu überleben? Und wie schaffte ich es?