Dass Opis Körper just in diesen Tagen der Erde entnommen wird, ist ja auch nur eine Ironie des Schicksals. Er ist nun, wie alle anderen meiner verstorbenen Familie, endgültig weg.
Es ist sehr seltsam, denn vorgestern träumte ich von ihm. Er sass vor mir in unserer Küche, mit graublondem Haar, leuchtenden blauen Augen und rauchte Pfeife. Keiner in meiner Familie hat blaue Augen. Opi glich immer ein wenig Peter O’Toole in „Lawrence of Arabia“, später dann Richard Harris. Opi sass einfach da und zwinkerte mir zu, so als wolle er mich ermutigen, weiter an alledem zu arbeiten, wo ich mittendrin stecke. Ich war glücklich, ihn zu sehen, denn ich habe fast zwanzig Jahre nicht mehr bewusst von ihm geträumt.
Als Opi im gläsernen Sarg lag, durfte ich ihn nicht mehr besuchen. Ich war 19 Jahre alt, trug eine mächtige Spange und verstand nichts. Meine Mutter verbot es mir, ihn noch einmal zu sehen. Sie sagte: „Opi sieht nicht mehr schön aus.“ Ich dachte: Opi sah nie schön aus. Opi war Opi.
Das meiner Mutter zu erklären schaffte ich nicht.
Erst als sie starb, vor zehn Jahren, verstand ich ein wenig, was sie damit meinte.
Menschen, die schwerkrank sind, sehen nicht „schön“ aus.
Ich musste in den letzten Tagen daran denken, dass ich auch meinen Bruder Swen nie gesehen habe, weder lebendig noch tot. Auch sein Grab ist verschwunden und mich treibt die Frage um, was mit den Knochen von Menschen passiert, die fast 40 Jahre tot sind. Früher gab es Gebeinshäuser und heute werden sie wohl einfach in die Verbrennungsanlage „entsorgt“.
Omi wollte eingeäschert auf dem Friedhof begraben werden. Ich hätte mir gewünscht, ein klein wenig von ihrer Asche unter den Rosenstock zu leeren. Aber ich wusste auch, dass dies nicht in ihrem Sinne gewesen wäre. „Irgendwo auskippen“ fand sie furchtbar und sie verbat es vehement, auch nur darüber nachzudenken, dass es andere Bestattungsorte als den Friedhof (für sie) geben könnte.
Jetzt, wo Opis Grab aufgehoben wird, geht die Bildhauerin ans Werk und wird Omis Grabstein erschaffen. Ein klein wenig von Opis Stein ist darin enthalten. Aber ich fühle auch, dass Omi, genauso wie alle anderen weg ist und so ein Grabstein ein kleiner Kiesel auf dem Lebensweg ist.
Opa war immer für einen Spass zu haben. Ich vermisse ihn.
Ich weiß nicht, ob es Dich tröstet, aber:
Die noch vorhandenen Teile des Sargs, der Beigaben, auch der Knochen verbleiben in der Erde.
z. B. hier nachzulesen: http://bestatterweblog.de/zur-sache-knochenreste-im-grabaushub/
In manchen Kommunen (z. B. in Berlin) werden Gräber auch wieder geschlossen, wenn noch menschliche Überreste gefunden werden.
z.B, hier nachzulesen: https://www.ottoberg.de/ratgeber/haeufige-fragen/antworten/artikel/was-passiert-mit-sterblichen-ueberresten-nach-ablauf-der-ruhezeit.html
Was ich nur schreiben möchte: Niemand wird „entsorgt“. Keine Sorge.
Ich weiß nicht, was ich noch schreiben soll… „Es tut mir leid“? Dabei sind es doch schöne Erinnerungen und diese sind doch das beste Vermächtnis.
Ich schreibe besser nur: Ich wünsche viel Kraft.
Julia
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