Wie es ist.

Vor 38 Jahren wurden mein Vater und meine Mutter zum zweiten Mal Eltern.
Ich kann mich heute noch an den Bauch meiner Mutter erinnern und das Glück in ihren Augen. Ich war knapp zwei Jahre alt. Ich schmiegte mich an ihren Körper und durfte die Bewegungen meines Bruders in ihrem Bauch an meinem Ohr fühlen.

Ich hatte keine Ahnung, was es bedeutet, ein Geschwisterchen zu kriegen. Ich konnte es mir nicht vorstellen. Aber ich kann mich heute noch an meine Schritte in der Wohnung in Wängi erinnern. An die Möbel, das Licht, die Vorhänge und den Geruch. An meine Spielsachen. An die Tigerkatze, die sich an meine Beine schmiegte.

Heute, mit 40 fühle ich mehr denn je mit meinen Eltern mit, die damals ein Kind bekamen und wenige Tage nach der Geburt verloren. Meine Eltern waren bei seinem Tod am 20. September 1979 um die 30 Jahre alt. Mit seinem Tod zerbrachen Hoffnungen und Träume. Jahre der Trauer, der Verzweiflung und der Schuldgefühle sollten folgen.

Meine Omi hat immer gesagt: Alles ist für etwas gut.

An Swens Tod kann ich, noch immer, keinen Sinn erkennen, ausser dass ich es heute einfach akzeptiere, wie es ist.

5 Gedanken zu “Wie es ist.

  1. ich habe mich über so etwas neulich sehr geärgert, über den schriftlichen kommentar eines verwandten, das alles im leben einen sinn habe, auch wenn man ihn nicht erkenne. das impliziert, dass zu doof ist, wer ihn nicht erkennt. und es gibt imho nichts zu erkennen, außer, dass im leben der tod nah und und, wenn man pech hat, zu nah kommt. sinn? no. (das ist weniger ein kommentar zu deinen gefühlen als zu meinen, und einordnungsversuchen).

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  2. Und doch ist es noch da. Und regt dich zu dem Text an. Das mag auch gut sein. War sein Tod nun dafür gut? Was ist gut? Wer will es bestimmen? Wir suchen das Gute, weil wir die Hoffnung haben, damit das Leben leben zu können. Keiner weiss genau, was es ist, drum wollen wir es in allem sehen. Um selbst dem Schrecklichsten etwas Gutes abgewöhnen zu können. Es gibt nichts Gutes im Tod eines Kindes. Nichts. Vor allem nicht, wenn es nicht litt. Wenn jemand stirbt, der litt, der alt ist, ist man schnell dabei zu sagen: Er hatte ein gutes Leben, der Tod war eine Erlösung. Aber bei einem Kind? Da versagen alle unsere Schutzmechanismen.

    Aber ja, du hast recht. Es ist, wie es ist. Man MUSS weiter gehen. Der Gang ist nicht immer leicht.

    Danke für den Text!

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  3. Beim Tod meines Bruders treibt mich allein eine Frage, eine Ungewissheit an: er war nicht der Einzige, der damals im September 79 auf jener Abteilung starb. Ich frage mich heute noch, was dort passiert ist. Warum er wirklich gestorben ist.

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