Rot.

Meine Mutter hat am Ende nur etwas an mir gehasst: meine schwarzen Kleider.

Ich war gerade 30 Jahre alt geworden und trug mit Vorliebe schwarze, graue und dunkelbraune Kleidung. Ich fand damals, dass das genau meinem Typ entsprach. Ich fühlte mich sehr wohl, weil ich mich darin unauffällig fühlte.

„Ich bi im Fall no nöd tot“, sagte sie einige Wochen vor ihrem Tod mit missbilligendem Blick auf meine schwarze Jeans, die schwarze Bluse, meine braunen Ohrringe, die ich im Pflegeheim, ihrem Hospiz trug.

Fast 15 Jahre später ist alles anders. Ich mag zwar schwarz noch immer sehr, aber ich trage es selten. Meine Haare ergrauen nun langsam. Die Farbe Schwarz ist reserviert für die wirklich schwarzen Tage. Ich mag Grün. Petrol. Blau. Gelb. Rot.

Meine Mutter hat mir damals eine entscheidende Lebensweisheit weitergegeben: Du lebst jetzt. Trauern ist ok, aber es ist bloss ein Teil des Lebens. Leben ist wichtiger. Leben ist alles.

Sie liebte Rot.