In den letzten Tagen musste ich sehr viel an meinen Vater denken.
Vor zwei Jahren um diese Zeit haben wir oft telefoniert und geredet, so als hätten wir gespürt, dass danach eine Zeit der Entfernung, der Sehnsucht und der Trennung folgt.
Der 72. Geburtstag meines Vaters am 19. Februar 2020 war das letzte Familienfest, an das ich mich erinnern kann. Mehr als ein halbes Jahr später, auf den Tag genau, im November, verstarb er.
Ich habe die letzten Monate seiner Krankheit, seines Leidens, seiner Pflege, nur aus Entfernung miterlebt. Meine Lebensader zu ihm war wie abgeschnitten, und das aus gutem Grund. Freiheit war sein Lebensmotto. Er soll sich frei bewegen können, ohne Quarantänebescheinung, ohne Isolation. Frische Luft, rausgehen. Sein Leben leben. Mit Rollstuhl. Aber aus voller Kraft.
Seine Frau und ich sprechen immer wieder mal darüber. Es war gut so, zu entscheiden. Weg zu bleiben. Ich habe mir – und ihm – sehr viel erspart. Aber es rettet mich nicht vor der Trauer um ihn. Mein Verlust ist sehr gross. Er war mir der nächste, liebste Mensch. Mein Vater fehlt mir so sehr. Ich vermisse seine Umarmungen. Seinen Humor. Sein sanftes Lächeln.
Ich habe viele Momente seines Lebens, im Herbst 2020, verpasst. Es war mir nicht vergönnt, an seiner Seite zu sein. An seinem letzten Tag wachte ich an seinem Bett. Das hat mir sehr viel gegeben. Ich spürte, wie sehr er mir in diesem verrückten Jahr gefehlt hat. Wenige Minuten vor seinem Tod verliess ich ihn. Ich war müde und traurig und spürte, dass es nun Zeit war, zu gehen. Ich war an der Seite meiner Mutter, als sie 2007 starb, aber es war nicht meine Aufgabe, an der Seite meines Vaters zu sein.
Ich musste daran denken, dass er, am Anfang meines Lebens, sehr präsent da war. Bei meiner Geburt war er an der Seite meiner Mutter. Er hielt mich, wenige Momente später in den Händen, schnitt meine Nabelschnur durch. Er war da ganz furchtlos und neugierig. Das macht mich sehr stolz auf ihn. Und es verstärkt die Sehnsucht nach einem dieser wichtigsten Menschen in meinem Leben. Er war mir so oft Mutter und Vater gleichzeitig.
Mir fehlen sehr viele menschliche Kontakte. Mir fehlen meine Freunde, die ich jeweils am Freitag oder Samstag treffe. Mir fehlen aber auch meine nächsten Verwandten, meine Omi. Papi. Meine Mutter. Meine Grosstanten mütterlicherseits.
Corona hat mich sehr viel einsamer gemacht als zuvor. Ich lebe mein Leben und das gelingt mir ziemlich gut. Aber mir fehlen die Menschen. Die Begegnungen im Alltag, die ich zuvor so sehr in meiner Stadt geschätzt habe. Das ganze soziale Leben liegt brach.
Meine berufliche Welt ist eine komplett andere als die private. Ich bin mit sehr vielen Schicksalen konfrontiert und es fällt mir schwer, zu verallgemeinern. Manchmal bin ich sehr müde. Dann wieder voller Kraft. Ich funktioniere hinter meiner Maske. Mein Makeup ist noch immer nicht wasserfest.
Es wäre leichter, wenn ich meine Angehörigen noch hätte. Aber es ist auch gut, wenn ich meine Freunde an meiner Seite weiss. Ohne wenig Worte. Das Gefühl reicht aus, dass sie da sind.















