Bachtosen

Gestern früh, als ich aufwachte, wusste ich genau, was passiert war. Ich kannte das Geräusch noch aus meiner Kindheit.

Der kleine stille Bach neben unserem Haus hatte sich nach einer Nacht der Regenfälle in einem wilden, gelben Sturzbach verwandelt. Sein Tosen drang durch die Fenster hindurch.

Als ich noch ein Kind war, wurde Opa bei Regen nervös. Er fing dann jeweils an, auch mitten in der Nacht, alles ums Haus herum zusammenzuräumen. Er kannte die Launen des Baches zu gut.

Der Bach trat nur einmal über die Ufer. Er zerrte Holz mit. Das Haus wurde nicht in Mitleidenschaft gezogen. Zum Glück.

Gestern morgen fühlte ich wieder versetzt in meine Kindheit. Ich rannte zum Fenster und schaute hinaus. Der Bach toste und ich hielt für einen kleinen Moment Ausschau nach meinem Grossvater, der hastig das Holz ums Haus versorgt. Doch dann fiel mir ein, dass das jetzt unsere Aufgabe ist.

Warm werden

Rückblickend kann ich sagen, dass wir beim Zügeln tatsächlich die kältesten Tage des Jahres erwischt haben. Nach wie vor liegt rund um unser Haus viel Schnee, der aber langsam abtaut.

Das Kernstück des Hauses ist der Ofen. Nach einer Woche des Einheizens wärmte sich das Haus langsam auf und es ist nun sogar wieder möglich, in Socken herumzurennen.

Mein Atelier ist zugestellt. Ich hoffe, ich schaffe es dieses Wochenende, den Raum so weit einzurichten, dass ich wieder Zugang zu meinem PC habe.
Im Gegensatz zu vorher riecht das Atelier nun nach frischem Holz. Der Moder scheint vergangen.

Sascha schleppt jeweils die Holzscheite aus dem Keller, so wie es vorher mein Urgrossvater, dann mein Opa Walter und schliesslich Omi Paula tat. Es scheint ihm zu gefallen, denn die Bedienung des Ofens verlangt Sensibilität und Aufmerksamkeit.

Und so ist abends, wenn ich nach getaner Arbeit nach Hause komme, die Küche wohlig warm. Mann und Katze sitzen zufrieden da und wir sprechen über das, was unter der Nebeldecke passierte. Heimat ist dort, wo du warme Füsse und ein warmes Herz kriegst.

wegfliegen

Morgen früh fliegen wir ab nach Köln. Ich bin seltsam aufgeregt. Die Woche war turbulent. Die Zeit zieht rasch an mir vorbei. Schon Ende Juni? So schnell? Dabei war doch erst grad noch Ostern.

Köln. Die Stadt ist so furchtbar weit weg von daheim. Ich muss daran denken, dass ich doch eigentlich gar nicht gern für länger wegfahre. Vier Tage müssen aber drin liegen, sage ich mir beim Einschlafen.

Seltsamerweise denke ich die ganze Zeit ans Haus im Toggenburg. Irgendwie scheint es zu meinem Anker geworden zu sein. Es ist, als hätte das Haus eine Funktion in meinem Leben eingenommen, die sonst immer Oma innehatte.

Der Hafen. Der Ort der Geborgenheit.
Ich muss dran denken, wie gerne ich als Kind ins Haus ging. Auch wenn alle Räume, bis auf Omas Schlafzimmer, nach Opas Pfeifentabak stanken, liebte ich es. Das Holz der getäferten Wände. Der Geruch des feuchten Steins. Das Alter des Hauses. Die gelben Hauswände. Die dunkelroten Holzbalken. Das Haus ist wie eine Schulter zum Anlehnen.

Ich freu mich auf den Flughafen Zürich. Ich mag es, mit der Bahn anzukommen und die Rollstreppen hinaufzufahren. Das Design der Bahnhofshalle ist noch immer das gleiche wie damals, als ich mit Oma Zug fuhr.

Alles ist modern und aus Stahl. Ich denk zurück ans Haus, den Garten und stell mir vor, wie Omi auf dem Weglein steht und mir zuwinkt.

„Komm bald wieder, Meitli und vergiss mich nicht!“ rief sie jeweils. Sie stand aufrecht wie eine Birke. Ihr Haar war schwarz mit weissen Fäden drin. Oma bleibt stehen und winkt, bis ich sie nicht mehr sehen kann.

Ich freu mich auf Köln