Machs gut, lieber Rudi

Vergangene Nacht starb Rudi. Er wurde 90 Jahre alt.

Ich habe Rudi nie getroffen, doch über Twitter waren wir über fünf Jahre lang befreundet. Er hat mich herzlich unterstützt, sei es in meinem Schreiben oder während Omis Demenz.

Als ich „Lavinia Morgan“ überarbeitete, hat er mich immer wieder via PN und Mail motiviert, weiter zu machen, (mich und das Buch) nicht aufzugeben. Auf das fertige Werk (und mich) war er dann sehr stolz.

Es hat mich sehr gerührt, dass er mich als „Enkelin“ bezeichnet hat. Das geschah in einer Zeit, in der mich meine Omi vergessen hatte. Es tat gut, einen Menschen aus ihrer Generation da zu wissen. Er hat Twitter für mich zu einem guten Ort gemacht. Seine Menschenfreundlichkeit und seine Begeisterungsfähigkeit werde ich nie vergessen.

Rudi gehörte zu meinem literarischen Freundeskreis: Wie oft hat er mir und meiner Familie mit seinen schön formulierten, liebevollen Kommentaren eine Freude gemacht! Er hat mich getröstet, als Omi im Sterben lag. Er tat dies aus der Warte des weisen alten Mannes, ohne jemals arrogant zu wirken. Rudi muss sehr viel erlebt haben; verbittert war er aber nicht.

Die letzten Monate habe ich nichts mehr von ihm gelesen. Ich ahnte, dass er sich nun auf seinen letzten Weg machen würde.

Lieber Rudi, ich wünsch dir eine schöne Reise und grüss all jene, die ich vermisse. Danke für alles!

Ein Dank mit Tränen

Die Einladung vom NAR (Netzwerk Alternsforschung) in Heidelberg erreichte mich im Januar 2017, wenige Tage nach Omis Tod. Ich sagte sofort zu, an ihrem Seminar teilzunehmen.

Am 27. Juli 2017 war es dann soweit: Ich reiste mit Sascha nach Heidelberg, übernachtete in einem schönen Hotel. Noch nie in meinem Leben hatte ich eine Uni betreten. Dank Omi war mir das nun möglich.

Ich kann nicht genau beschreiben, was mir an jenem Abend durch den Kopf ging. Ich war sehr aufgeregt, voll freudiger Erwartung und nahe den Tränen. Ich stellte mir vor, wie Omi und meine Mutter weit hinten im Saal auf Stühlen sitzen und mir die Daumen drückten. Ich dachte: „Omi, ohne dich wäre ich jetzt nicht hier.“

Es rührte mich sehr, dass Malu auch da war. Ich bin mir sicher, dass wir Angehörigen von Demenzkranken einander zu Geschwistern werden, denn wir erleben ähnliches und brauchen einander nichts zu erklären.

Das NAR wurde 2006 unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Beyreuther gegründet. In diesem Netzwerk werden interdisziplinär die verschiedenen Aspekte des Alterns untersucht.

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Professor Dr. Bert Heinrichs hielt einen Vortrag zum moralischen Umgang mit Demenz. Ich hatte erst etwas Bedenken, mich mit seinen Ansichten zu konfrontieren,. Als Angehörige schmerzen mich oft Aussagen über Demenz und ich bin vorsichtig geworden, wem ich mein Ohr leihe. Beim Zuhören wurde mir aber klar, dass er in seinen klaren Worten beschreibt, worin das Dilemma von uns Angehörigen und der Gesellschaft besteht und dass es dafür keine Lösung gibt.

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Frau Andrea Germann, M.A. hielt ihr Referat über Bilder von Demenz in der Schönen Literatur. Ich war sehr berührt von ihren Erkenntnissen, ihrer Vortragsweise und der Tatsache, wie viel Literatur es über Demenz gibt.

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Ich durfte aus meinem Buch vorlesen. Im Vorfeld hatte ich die Befürchtung, ich würde anfangen zu weinen. Aber dann, beim Lesen, sah ich plötzlich wieder meine Omi vor mir. Wie sie ihr Leben trotz Demenz meistert. Wie sie den Pflegenden ein Lächeln ins Gesicht zauberte mit ihren träfen Sprüchen. Ihren letzten Satz an mich: Warum bist du denn traurig? Ach Omi.

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Ich bin noch immer sehr berührt von der Gastfreundschaft und der Liebenswürdigkeit, die mir von den Menschen vom NAR und den Zuhörern entgegengebracht wurde. Ich erlebte einen wunderbaren Abend in Ihrer Gesellschaft und die Gespräche hallen noch immer in mir nach. Ich möchte so herzlich danken für Ihr Vertrauen!