meine schwester und ich teil 2

Während meine Schwester in der psychiatrischen Klinik war und an sich arbeitete, wurde die eine Katze krank. Flüss hatte Brustkrebs. Da ich mich verantwortlich fühlte, versuchte ich alles, damit die Katze wieder gesund würde. Ohne Erfolg.

Ein halbes Jahr später kam meine Schwester bei uns zuhause vorbei und holte ihre Katzen ab. Von den finanziellen Dingen haben wir nicht gesprochen. Es war ganz klar für sie, dass ich, als Frau mit einem Job, diese Angelegenheit bezahlen würde und nicht sie.

Einige Monate später wurde die Katze erneut krank. Diesmal hatte sie deutlich weniger Glück. Meine Schwester weigerte sich, das Tier von seinem Leiden zu erlösen. Ich war sauer.

2007 wurde unsere Mutter schwer krank. Obwohl meine Schwester arbeitslos war, schien es ganz klar, dass ich für die Mutter zu sorgen hatte.

Dies habe ich getan. Bis zu letzten Minute. Über die Demütigungen der Mitarbeiter des Sozialamts Frauenfeld schweige ich. Die Beerdigung meiner Mutter habe ich selber bezahlt. Auch den Grabstein. Ich wollte nicht, dass meine Mutter ein schiefes Kreuz über ihrer Urne erhielt.

Meine Schwester kam nicht einmal zur Beisetzung, obwohl Paula, Tante Hadi und ich sie sie mehrere Male telephonisch angefleht hatten.
Als einige Monate später klar war, dass ein kleines Erbe existierte, von dem wir beide profitierten, meldete sich meine Schwester, wie wenn nichts passiert wäre.

Mein Fazit ist nur auf den ersten Blick emotionslos: ich bin ernüchtert.

Ich habe meine Mutter bis zur Sekunde ihres Todes begleitet, ihre Beerdigung bezahlt und auch ihren Grabstein. Meine Schwester enthielt sich aller Verantwortung. Dasselbe wird mir nun beim Sterben meiner Grossmutter blühen. Zwar will und könnte ich ihr Haus kaufen, um mich selbständig zu machen und das Erbe meiner Familie zu retten. Doch zuerst werde ich meiner Schwester, bzw. dem Sozialamt des Kantons Freiburg einen Beitrag bezahlen müssen.

Dies bringt mich an den Rand meiner finanziellen Möglichkeiten, obwohl ich immer Vollzeit gearbeitet habe, nie arbeitslos und selten krank war. Es ist ungerecht. Ich werde das Haus meiner Kindheit verlieren. Ich verliere meine Grossmutter, für die ich seit 1997 gesorgt habe.

Es verletzt mich zutiefst.

Meine Schwester und ich, das ist eine schwierige Geschichte. Teil 1

Wir verstehen uns nicht besonders.
Wir sind uns fremd. In den letzten 15 Jahren haben wir uns keine 5 Mal gesehen.

2006 rief sie mich an Weihnachten an. Sie erzählte mir panikhaft, dass sie von jemandem missbraucht würde. Ich war geschockt. Ich riet ihr, sich sofort an die Polizei zu wenden. Sie meinte, das ginge nicht, weil „sie“ auch dort unter der Polizei zu finden wären. Meine Schwester reagierte heftig. Sie bat mich, sie sofort in Fribourg abzuholen und sie und ihre Katzen zu retten.

Dies habe ich nicht getan. Ich habe sie nicht gerettet. Ich riet ihr zum Eintritt in die psychiatrische Klinik. Das machte sie sehr wütend.

Einen Tag später rief mich ein Arzt an, der mir mitteilte, dass meine Schwester seine Patientin war und sie Hilfe brauchte. Er erzählte mir in kurzen Worten, dass sie stark abgemagert vor ihm stand. Sie litt unter einem Verfolgungswahn, konnte praktisch nichts mehr zu sich nehmen.
Der Arzt meinte daraufhin, ich müsse dies den Eltern mitteilen. Das habe ich getan. Meine Eltern waren total geschockt. Mein Vater und auch meine Mutter weinten am Telephon. Ich habe sie niemals zuvor so erlebt.

Dann rief mich ihre Freundin aus Bern an. Sie erzählte mir, dass sie Bambü und Flüss, die beiden alten Katzen meiner Schwester, bei sich aufgenommen hatte und sie ins Tierheim geben würde, wenn ich sie nicht sofort abholen würde.

In der Weihnachtsnacht 2006 bekam ich auf der Brücke zwischen Pfäffikon und Rapperswil einen Suizid mit. Vor meinen Augen stürzte sich ein Mann vor mir in den See. Das hat mich tief erschüttert.

Nach jener Nacht mit wenig Schlaf, vielen polizeilichen Befragungen und vielen Albträumen, fuhr ich mit meinem damaligen Freund nach Bern um die Katzen meiner Schwester zu holen.

Jeden Tag habe ich daraufhin mit meiner Schwester telephoniert. Sie war so sehr traurig. Sie erzählte mir von ihrer eigenen Trauer, die ich bis dahin nie wahrgenommen hatte. Ich hätte sie so gerne in den Arm genommen. Aber das ging nicht.

Selbst als ich sie Wochen später besuchte, waren wir uns fremd geworden, Unsere gemeinsame Kindheit war verschwunden.

Wie das so war.

Ich erinnere mich an den Bauch meiner Mutter, als sie meinen Bruder drinne hatte. Ich weiss noch genau, wie ich den Kopf hinhielt und seine Fusstritte spürte. Das war für mich ein wahres Wunder.
Ich freute mich so sehr, obwohl ich keine Ahnung hatte, was das bedeutete.

Den Tod meines Bruders bekam ich nur dunkel mit. Ich erinnere mich daran, dass von einem Moment auf den anderen Paula da stand und mich umarmte und weinte. Es war Nacht.
Das nächste, was ich wirklich klar vor meinen Augen sehe, ist meine Mutter, die in einem dunkelgrün gekachelten Badezimmer auf dem Klo sitzt und weint.

Meine Mutter erzählte mir danach, dass ich mit einem Bodenputzlumpen zu ihr hin marschiert sei und ihn ihr hingehalten habe mit den Worten: „Hör bitte auf zu regnen, Mami.“

Irgendwann wurde meine Mutter wieder schwanger.
Sie gebar meine kleine Schwester und ich begriff, dass sie ein Schatz war.
Für meine Eltern war sie ein Geschenk des Himmels, vom lieben Gott oder wem auch immer.
Für mich war sie ein seltsames, blondes blauäugiges Wesen.

Ich war vier Jahre älter als meine Schwester. Vier Jahre sind sehr viel.
Für mich war Sven immer präsent, aber sie hat ihn nie erlebt.
Trotzdem musste meine Schwester die Erinnerungen an ihn ertragen.

Meine Mutter hat mehr als einmal zu meiner Schwester gesagt:
„Für mich bist du zwei Kinder!“
Nur meine Schwester allein kann ermessen, was das für ihr Leben bedeutete.

Ich schreibe dies im Gedanken an meine Schwester, die ich sehr vermisse, weil ich sie viel zu selten sehe. Aber: sie lebt. Und das ist das wichtigste von allem.