Ich kanns kaum glauben, dass ich vor sieben Jahren das letzte Mal mit meiner Mutter Geburtstag gefeiert habe. Es scheint mir manchmal, als wäre es schon hundert Jahre her. Oder erst gestern.
Sie fehlt mir. Ich wünschte mir so sehr, sie wäre jetzt hier und würde mich unterstützen. Als ich 2006 in ein Theaterprojekt involviert war, meinte sie lediglich: „Du schaffst das schon, Meitli..“ Ihre Worte fehlen. Ihre trockene Art und Weise und gleichzeitig das Vertrauen in mein Können, das wäre jetzt in dieser Phase von Nöten.
Sie hat es nie verstanden, dass ich schrieb. Sie sagte oft: „von mir hast du das nicht, Meitli.“
Ich weiss es echt nicht. Wenn ich ihre Aufsätze durchlese, erkenne ich meine Schrift wieder. Ihre Zeichnungen. Ihre klaren Gedanken. Ihr Suchen nach Worten und Beschreibung. Nein. Von ihr hatte ich es nicht, denn sie hatte es bis zuletzt.
Meine Mutter lag vor sieben Jahren bereits im Pflegeheim. Sie war keine 56 Jahre alt. Um sie herum waren steinalte Menschen, die dort lebten. Nur sie war zum Sterben hier her gekommen.
Manchmal wünsch ich mir, ich hätte damals ein eigenes Haus gehabt und sie pflegen können. Ich hätte Spitex-Frauen herumgejagt und jedem Arzt Feuer unter dem Hintern gemacht, der sie schlecht behandelt. Aber damals wusste ich ja nicht, was mich erwartete. Ich war sozusagen blauäugig.
Heute ist das anders. Ich bin in sieben Jahren siebzig Jahre gealtert. Kein Stein ist seit ihrem Tod auf dem anderen geblieben. Ich bin wirklich ein anderer Mensch geworden.
Würde sie mich noch erkennen?
P.S. am meisten bereue ich, dass ich praktisch keine Photos von uns zweien habe. Es gibt eins, da bin ich noch ein Baby, beim anderen war ich Konfirmandin. Es scheint mir, als wären Tochter und Mutter nicht-existent.