Als mich vor einigen Tagen ein Brief von Omis Pflegeheim erreicht, denke ich für einen Moment: „Scheisse, jetzt kommt nach neun Monaten noch eine Rechnung.“
Ich öffnete den Umschlag und entnahm ihm eine Einladung.
Das Pflegeheim lud mich und andere Familienmitglieder ein, um an einem Gedenkanlass für Omi und all die anderen Bewohner und Bewohnerinnen, die in den letzten 12 Monaten verstorben sind, teilzunehmen. Mir stiegen die Tränen ins Gesicht.
Omi ist neun Monate tot. Neun Monate ohne ihr Lächeln, ihre Stimme, ohne eine Berührung ihrer Hände. Fast ein ganzes Jahr ist vergangen, und es scheint mir, als wäre es erst gestern passiert. Als wäre erst gestern Schnee gelegen und ich verzweifelt. Aber ich bemerke auch, dass die tiefe Trauer etwas neuem Platz gemacht hat. Mein Herz ist nicht länger verkohlt. Es tut zwar manchmal weh, aber ich spüre auch, dass es weiterlebt.
Wir leben hier in einer katholisch geprägten Region. Das Trauern in Abschnitten wird hier von einigen noch sehr hoch gehalten. Da ich reformiert erzogen bin, verstehe ich nur wenig davon. Den Gedenkanlass des Pflegeheims finde ich grossartig. So haben wir Familienmitglieder, aber auch die Bewohnerinnen und Bewohner und die Pflegenden, eine Möglichkeit, den Toten dieses Jahres zu gedenken und uns zu verabschieden. Auf dass die Wunden heilen und neues wachsen kann!