Röteli

Meine Omi liebte Katzen nicht. Ich erinnere mich dunkel an jene eine Katze, die meine Uromi Rosa 1983 hinterliess. Sie war getigert, mit weisser Brust. Omi befürchtete, dass ihr ein solches Viech die Strümpfe und Beine zerkratzen würde.

Als ich 2002 auf mein Dreizehntel traf und diese auch zu Omi mitnahm, wurde vieles etwas anders. Omi entdeckte, dass sie Katzen sehr wohl mochte.

Einige Jahre später brach Omis Demenz vollends aus. Alles veränderte sich, vor allem ihre Beziehung zu Tieren. Nach Opis Tod 1997 war Omi einsam.

Meine Mutter starb 2007. Danach war meine Omi nicht mehr der gleiche Mensch. Zwar war sie noch immer zärtlich und liebevoll, doch sie veränderte sich. Omi entdeckte ihre Liebe zu Katzen.

Ich erinnere mich noch an jenes eine Mal, wo ich eine rote Katze in ihrer Stube antraf, umhüllt von Küchentüchern, damit sie es weich und warm hätte. Omi nannte sie „Röteli“.

Es gab verschiedene „Röteli“, eine davon war Janice.

Ich lernte Janice so um 2009 kennen, als ich Omi intensiver begleitete. Sie war eine stattliche, schöne Katze, die laut miaute und etwas scheu war. Oftmals lag sie dösend in der Stube, zärtlich behütet von meiner demenzkranken Omi, die ihr liebe Koseworte flüsterte.
„Das ist der Röteli“, sagte Omi.
„Aber das ist doch nicht deine Katze!“, antwortete ich ihr.
„Sie ist einfach da“, entgegnete meine Omi.
„Aber du kannst sie doch nicht einfach füttern. Sie gehört doch jemandem!“
Omi zuckte mit den Schultern, streichelte den Röteli und ging in die Küche.
Röteli aber rannte sofort weg, sobald jemand anders, als Omi in der Nähe war.

Natürlich hat es mich beschäftigt, wessen Katze Röteli war. Ich sollte es erst einige Jahre später erfahren, als ich nach Lichtensteig gezügelt war. Röteli gehörte meiner Freundin Angela. Und: Röteli hiess eigentlich Janice, war ein Weibchen und kein Männchen, so wie meine Omi es jahrelang gedacht hatte.

Röteli begleitete meine Omi einige Jahre lang, so bis ca 2012, als Omi im Oktober ins Pflegeheim zog. Sie fütterte die Katze täglich, erzählte ihr alle Sorgen. Doch als Omi aus dem Haus auszog, vergass sie die Katze, wie so vieles andere.

Nachdem Omi aus dem Haus ausgezogen war, sahen wir Röteli nur noch aus der Ferne. Röteli betrat das Haus nie mehr. Mir schien, als sei mit Omis Weggehen auch alles verschwunden, was Röteli noch an dem Haus angezogen hatte.

Als wir im Februar 2015 ins Haus zogen, war Röteli da. Allerdings nur aus der Ferne. Röteli sass auf der Mauer und schaute uns zu. Drehte ihre Runden ums Haus. Vertrieb andere Katzen. Röteli war die Königin des Quartiers.

Die letzten Jahre trafen wir uns sporadisch. Röteli lief über unser Grundstück, fing Mäuse, miaute laut. Wir begruben unsere Katze Dreizehntel. Kurz danach sass Röteli laut miauend auf der Mauer neben ihrem Grab. Einige Wochen später, wir lebten nun mit Aelfric und Fauci, unseren Katzenkindern zusammen, miauten diese laut durchs Fenster, als sie Rötelis abendliches Gemiaue hörten. Röteli rannte rasch davon.

Nun ist Röteli – Janice tot. Sie wurde überfahren. Vermutlich war sie aufgrund ihres hohen Alters gehörlos und konnte deshalb nicht mehr wegrennen.
Janice war eine wunderbare, schöne und starke Katze. Wir werden uns immer an sie und ihren Liebesdienst an unserer Omi erinnern.

Die Wahrheit über Röteli

Der gestrige Nachmittag war ein besonderer.
Ich lernte in einem Café viele Leute meiner Stadt kennen, unter ihnen die Besitzerin und den Besitzer von Paulas langjähriger Gast-Katze Röteli. Ich hatte etwas Respekt vor dieser Begegnung, weil ich nicht wusste, ob Rötelis Besitzer sauer auf Omi Paula waren. Schliesslich hatte Omi, als sie alleine im Haus lebte und ihre Demenzerkrankung weiter fortschritt, verschiedenste Katzen gefüttert.

Meine Angst war jedoch unbegründet. Es hat mich gerührt, dass es für das Paar keine Sache war, dass Omi ihre Katze gefüttert hat. Das hat mich sehr erleichtert.

Bei der Gelegenheit und dem tollen Gespräch erfuhr ich unter
anderem, dass „Röteli“ kein Männchen, sondern ein zehnjähriges Weibchen ist und in Wirklichkeit „Janis“ heisst. Ich zeigte den beiden Photos von Paulas Katzenbettchen aus diesem Blog. Und: ich konnte endlich danke sagen, dass Janis meiner Oma so viel Freude bereitet hat.

 

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Düster stimmt mich, dass in Lichtensteig aktuell fast zwanzig Katzen spurlos verschwunden sind. Viele Menschen hier haben ihr liebes Haustier verloren, wissen nicht, was mit ihm passiert ist. Ich hoffe, das klärt sich rasch auf.

Röteli

Der Röteli ist eine gestreifte rotfarbene Katze. Ich weiss nicht, wie alt er ist. Vor einigen Jahren tauchte er vor Paulas Haus auf. Damals ging es Omi noch sehr gut. Sie meinte, sie wolle keine Katze im Haus. Sie hatte in jüngeren Jahren immer Angst, dass eine Katze ihr die Strümpfe und die Beine zerkratzen würde. Doch dann, mit Fortschreiten ihrer Demenz wuchs ihre Freundschaft zu Röteli.

Röteli kam fast täglich vorbei.
Er schmuste mit Paula. Sie bastelte ihm Schlafplätze und verwöhnte ihn, als wäre er ein kleines Baby. Ich weiss nicht, wie viele Packungen Katzenfutter ich eigens für ihn zu Paula brachte.

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ca 2012 (Photo Sascha Erni)

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Omis selbstgebaute Katzennester (Photo Sascha Erni)

 

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Röteli wird von Omi verwöhnt

 

Natürlich hatte Röteli ein Zuhause. Aber nun wohnte er bei Paula. Er brachte Mäuse vorbei. Wenn wir bei Paula vorbei schauten, lag er meistens tiefschlafend auf dem senfgelben Sofa, eingewickelt mit kuscheligen Frottiertüchtern.
Als Paula 2012 ins Pflegeheim zog, blieb Röteli zurück. Paula weinte so sehr. Doch nach einigen Tagen im Pflegeheim verblasste die Erinnerung an ihn.

Seit wir am Räumen sind, gehört Röteli zu unseren Gästen. Er kommt vorbei, legt sich auf der alten Gartenbank zum Schlafen hin und macht später seine Runde ums Haus. Es ist fast alles wie früher.

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Röteli kehrt zurück (Frühling 2013, Photo Sascha Erni)

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Juli 2014

Nur eines ist anders. Er kommt nicht mehr ins Haus. Es ist, als ob er genau weiss, dass sie nicht zurück kommt. Sein Miauen klingt vorwurfsvoll, sein Blick wirkt traurig. Ich setze mich zu ihm hin und streichle ihn. Er ist so verschmust. Jedes Mal sag ich ihm: es geht ihr gut, da wo sie jetzt lebt.

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Winter 2012. Röteli beim verlassenen Haus (Photo Sascha Erni)

Auf den Spuren der Urgrosseltern

Henri und Röös waren bestimmt 30 Jahre verheiratet. Sie waren beide bei der Hochzeit nicht mehr die Jüngsten. Henri war verwittwet und von Röös weiss ich nur, dass sie vorher bereits einmal verheiratet gewesen war.

Wenn ich Bilder von ihnen beiden ansehe, fühle ich mich immer sehr wohl. Die beiden erinnern mich an Sascha und mich selber. Sie sehen verschmitzt aus. Trotz ihres hohen Alters waren gemeinsame Zärtlichkeiten kein no-go. Die beiden haben sich gern, kein Zweifel.

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Uroma Röös war offenbar mit einem grünen Daumen gesegnet. Unter ihren Händen blüht alles.

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Ihr Lieblingsplatz war ganz klar die Terrasse. Besonders im Sommer ist es da schön sonnig und gleichzeitig windig. Die beiden sassen sehr gerne da.

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Es ist ein seltsames Gefühl, wenn ich das Haus betrete. Hier haben sie alle gelebt, meine Urgrosseltern und meine Grosseltern. Wenn ich die alte Bank ansehe, erinnere ich mich an schöne Stunden. Heute ist die Bank fast verrottet und nur noch Röteli, Omas Gastkatze, sitzt darauf.

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Aber wie jedes Mal, wenn ich im Haus war, gehe ich zufrieden nach Hause.

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paula und die katzen

paula wuchs in den 20er jahren in einer kleinstadt in der ostschweiz auf. ihre eltern waren sehr, sehr, sehr arm. ich vermute, daher kommt auch paulas aufbewahrungszwang her. ihre eltern, berta und johann, hatten neben paula noch vier andere kinder. ich weiss nicht genau, wie sie aufgewachsen sind, nur wo. aber ich vermute mal, dass sie nicht immer genügend zu essen hatten.

als paula und mein opa verheiratet waren, schafften sie sich einen wellensittich an, piepsli. meine mutter hat ihm sprechen beigebracht. katzen hatten sie nie. paula fürchtete sie würden ihr die beine verkratzen. ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass paula angst vor diesen tieren hatte.

paula und mein opa zogen in den 80er jahren zu den urgrosseltern ins toggenburg. dort pflegten sie nicht nur die beiden hochbetagten, sondern auch deren tiere: eine strubbelige katze und barri, den sennenhund. paula und opa liebten barri über alles. als dieser starb, brach für paula eine welt zusammen. mit der strubbelkatze wurde sie nie so richtig warm.

nach opas tod war paula sehr einsam. doch sie blieb nicht lange allein. röteli, ein rotfelliges katzenweibchen und simeli, ein tiger, (und bestimmt noch x andere) kamen bei ihr vorbei. paula hatte grossen respekt vor diesen tieren und mir mehr als einmal geschildert, wie sie erfolglos versucht hat, die beiden zu vertreiben.

schliesslich zogen die beiden bei ihr ein. röteli schlief oft in der stube auf einem bereitgelegten barchetlaken, simeli kam zum fressen. mit der zeit vergass paula auch mal die namen der beiden oder gab ihnen neue. röteli blieb ihr so oder so treu. mir fiel allerdings auf, dass röteli kastriert und auch sonst gepflegt herum lief. wer war ihr anderer mensch?

die trennung von röteli war ganz furchtbar für paula. ich bin ganz froh, dass röteli bei paulas auszug nicht da war. als wir am mittag des selben tages noch ins haus gingen, um alles abzuschliessen, sah ich röteli das letzte mal. ich gab ihr zu fressen und richtete ihr grüsse von paula aus.

paulas nachbarin erzählte uns, dass der wahre besitzer von simeli und röteli sehr wohl wusste, dass paula seine katzen durchfütterte. er liess es aber geschehen und musste sich sprüche anhören, dass er sie jetzt wieder selber ernähren muss.

paula jedoch hat eine neue feline freundin gefunden. noch hat sie keinen namen. aber sie hat schon begriffen, dass es bei paula immer etwas feines zu fressen gibt.