2007

Vor 15 Jahren erlebte ich den letzten September meiner Mutter. Am 2. September feierte sie ihren 56. Geburtstag und wir wussten beide, dass es ihr letzter sein würde. Wir sprachen nicht mehr über den Geburtstag und den Todestag ihres Sohnes, meines Bruders im gleichen Monat. Es war der 28. Es spielte keine Rolle mehr und das erleichterte mich irgendwie.

Das Sterbenwollen war kein Thema. Es ging nur noch ums Leben. Wir blätterten gemeinsam Strickzeitschriften durch. Meine Katze kam im Pflegeheim zu Besuch. Sie fand es nicht toll, dass ich schwarze Kleidung trug. „Ich bin im Fall noch nicht tot“, meinte sie vorwurfsvoll. Als ich meiner Mutter schliesslich mitteilen musste, dass ich ihre Wohnung auf Druck des Sozialamtes kündigen musste, schmiss sie mich aus ihrem Zimmer. Sie schrie: „Ich will dich nie mehr wieder sehen.“ Ich dachte: „Das dauert wohl nicht mehr lange.“

Ich war gerade 30 Jahre alt geworden. In dem Alter hatten Frauen meines Alters Kinder, ein neugebautes Haus, einen mehr oder weniger glücklichen Ehemann und schlecht erzogene Hunde.

Ich hingegen hatte einen Job, den ich über alles liebte, meine Omi, meinen Vater und seine Frau, die mich alle von Herzen unterstützten. Und meine Mutter, von der ich wusste, dass sie ihr Leben schnell verlebte. Zu schnell. Hätte ich damals eine eigene kleine Familie gehabt, hätte ich ihre Sterbebegleitung wohl nicht auf die Reihe gebracht.

In jenen letzten Wochen entdeckte ich eine neue Welt, jene des Pflegeheims. Lauter sehr alte Menschen, die geduldig auf das Ende ihres Lebens warteten. Dazwischen meine 56jährige Mutter, lebensfroh, todkrank, neugierig und frech. Sie liebte Sudoku, zweideutige Sprüche, schöne Menschen und Rotwein. Letzteren konnte sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr geniessen. Alles andere dafür umso mehr.

Der letzte September meiner Mutter war sehr sonnengeflutet. Ich arbeitete viel, schaute nach der Arbeit – ich arbeitete als Gruppenleiterin mit mehrfach beeinträchtigten, jungen Menschen – bei ihr vorbei und holte in jenem Monat all das nach, was wir in meiner Kindheit miteinander verpasst hatten. Ich hatte tiefgründige und rauschfreie, schöne Gespräche mit ihr. Ich lernte sie komplett neu kennen, schätzen und – lieben. Das Loslassen ging viel zu schnell.

Einige Tage vor ihrem Tod telefonierten wir. Es war bereits Oktober geworden. Der Zuckerrübennebel herrschte über dem Thurtal, als sie mir sagte, wie sehr sie es schätzte, dass ich die letzten Wochen an ihrer Seite gewesen war. Ich glaube, im Radio lief Grönemeyers „Der Weg“. Ich weinte, weil ich wusste, dass wir nun gemeinsam auf ihren Endspurt zusteuern würden.

Willst du mit mir gehen?

Vor einigen Tagen stiess ich auf dieses Lied von Daliah Lavi. Ich mag es seit Kindertagen, denn ich wuchs mit ihrer rauchigen Stimme auf. Ganz gleich ob nachdenklicher Schlager oder „Stahlnetz des Dr. Mabuse“, Daliah Lavi war in unserem Thurgauer Haushalt eine feste Grösse.

„Willst du mit mir gehen?“ hat sich für mich in all den Jahren zu einer Hymne des Älterwerdens entwickelt. Daliah singt von Verbundenheit und dem Mut zur Liebe. Das sind allgemeingültige Themen, die auf jede Lebenssituation passen.

Für mich ist ihr Song ein Mutmachlied für Liebe und Demenz. Wie sonst sollen Paare durch diese schwierige Phase kommen? Daliahs Stimme ist intensiv und ich muss jedes Mal, wenn ich dieses Lied höre, mit den Tränen kämpfen. Es berührt mich tief drinnen und ich denke: es ist so wahr.

Wie soll man das Vergessen des geliebten Menschen ertragen?

Wenn der geliebte Mensch langsam verschwindet, nicht aber die Liebe?

Wenn man spürt, wie die ganze Erinnerung in den Händen zerrinnt.

Wenn man nur schwer erträgt, wie es dem geliebten Mensch geht und man nichts tun kann, um ihm sein Leiden zu lindern?

Wenn der Mensch, den man liebt, nur noch schwer leben kann und so sehr leidet, dass er keine Perspektive mehr sieht, weiter zu leben?

2017

Vor einem halben Jahr lag Omi im Sterben und ich erzählte ihr, während sie einschlief, dass ich es schade finde, dass sie nicht mehr an meinem 40sten Geburtstag dabei sein wird. Sie lächelte mich an. Ich wusste Bescheid.

Dieses Gefühl hat sich nicht verändert. Sie fehlt mir so. Oft muss ich an sie denken; wenn ich ihre Lieblingsfarben oder ihre Gastkatze sehe, den Bach, ihren Garten oder ihre Pflanzen.

Sie war bei all meinen besonderen Tagen dabei: nach meiner Geburt, meiner Taufe, bei der Beerdigung meines Bruders, meinem 10ten Geburtstag, meiner Konfirmation, als meine Mutter starb, bei Mamis Beerdigung.

Omi liebte es, mit mir Geburtstag zu feiern. Ich bekam eine Torte, viele Küsse, Geschenke und unzählige Male gesagt, dass sie mich gern hat.

torte 1982

In den Sommerferien verbrachte ich jeden Geburtstag, bis ich 16 war, bei ihr. Und jeder Geburtstag war der Schönste. Mein 19ter Geburtstag war der letzte mit Opa. Omi und ich haben noch Jahre später darüber gesprochen, wie schön das war. Zusammensein. Reden. Einander umarmen.

Seit ich 32 Jahre alt war, hab ich all meine Geburtstage kurz bei Omi vorbei geschaut, auch wenn sie längst nicht mehr wusste, wer ich war, oder dass ich Geburtstag habe. Aber irgendwie war es immer besonders:

Omi sass in ihrem Sessel, strahlte mich an, streichelte mich, wir umarmten uns und redeten einige verworrene Sätze.

Dieser Geburtstag ist der erste, wo ich sie nicht sehen werde. 2017.

Glückspilz

Ich bin ein Glückspilz, denke ich.
Dank Omi lese ich heute jede Menge Bücher über Demenz und vergleiche deren Inhalte mit dem, was ich die letzten Jahre an ihrer Seite erlebt habe. Ich lerne, dass es verschiedene Arten von Demenz gibt und das Ziel von uns Angehörigen sein muss, dem betroffenen, geliebten Menschen die Selbstständigkeit zu ermöglichen. Ah ja.

Ich lerne auch, dass es gegen Ende des Lebens eher schwierig wird, dies zu gewährleisten. Menschen mit einer schweren Demenz verlieren ihr Erinnerungsvermögen und leben ganz in der Gegenwart.

Ganz im Ernst? Ein wenig habe ich Omi darum beneidet, in der Gegenwart zu leben. Sie war nie so entspannt und glücklich wie damals, als es weder Vergangenheit noch Zukunft für sie gab. Omi hat nicht mehr getrauert. Die Verluste unserer geliebten Menschen stellten für Omi keine tiefen Narben mehr dar. Es war eher so, als hätte es sie nie gegeben. Omi hat zwar täglich SRF geschaut, und allein dafür gebührt ihr der Tapferkeitsorden, aber Kriege und Katastrophen haben sie nicht mehr berührt.

Manchmal, so denke ich, ist Demenz nicht der Schlimmste aller Wege. Vergessen ist eine schöne Sache, eine Art ewiger Schlaf.

Drei Monate

Paula ist jetzt drei Monate tot.
Als ich heute morgen aufstand und nach unten in die Küche ging, erinnerte ich mich, wie damals, als ich noch ein Kind war, das Licht rein schien und Omi am Küchentisch sass. Meist las sie den Blick oder studierte die Bingo-Zahlen.

Omi Paula liebte Bingo. Jeden Morgen erledigte sie diese Aufgabe pflichtbewusst und nicht mit wenig Effort. Sie liebte auch Lotto.

Wenn ich mich recht erinnere, war ihr Ignorieren des samstäglichen Lotto-Ziehens im Schweizer Fernsehen etwas, das mich zutiefst irritierte. Und wenn ich es richtig interpretiere, war das der spürbare Anfang ihrer Demenz.

Ich habe heute auf Facebook einen kurzen Film gesehen, wo ein junger Amerikaner seine an Demenz erkrankte Mutter immer wieder fragt, wer er ist und wer sie ist. Es hat mir verdammt weh getan, zu sehen, wie sich der junge Mann quält und wie auch seine Mutter leidet und verwirrt ist.

Ich weiss noch genau, wie Omi ausgesehen hat, wenn sie weinte und verzweifelt war, weil sie sich nicht mehr erinnern konnte, wo ihre Schlüssel oder ihr Portemonnaie lagen. Ich höre noch immer ihre Stimme, wenn sie mich danach fragte, warum sie alles vergisst. Wie sie sich selbst beschimpfte, weil ihr alles zwischen den Fingern davon rann.

Sehr oft hat sie gesagt: „Wenigstens habe ich noch dich. Gell, wir bleiben zusammen. Du darfst mich nicht vergessen!“ Dann hat sie jeweils nach meinen Händen gegriffen, sie gedrückt und wir haben uns umarmt. Ich habe sehr oft geflüstert: „Omi, i ha di gärn.“

Omi wurde immer älter und entrann mir zwischen den Händen. Jeden Tag nahmen wir Abschied voneinander. Ich wusste, was mich erwartet und sie wohl auch.

Ich habe ihr Rosen und Nelken auf dem Grab gepflanzt und frage mich, wie sie darüber denkt. Ich laufe an dem Baum vorbei, wo ich vor 15 Jahren meine Mutter und Omi fotografiert habe. Der Baum hat sich kein bisschen verändert. Er steht noch immer da, derweil meine beiden Lieben nun auf dem Friedhof liegen.

 

9. März 2017

Heute ist Omi acht Wochen tot. Es regnet in Strömen. Die Thur trägt ihr Wasser hoch und bei mir sind die Tränen zuvorderst. Das Vermissen ist stark. Ich sehne mich so sehr nach ihrer Stimme und ihrer Umarmung. Ich denke oft an unsere Treffen und worüber wir alles gesprochen haben.
Omi sagte oft: „Gell, du vergisst mich nicht.“
Nein. Das tue ich wirklich nicht.

Gestern las ich in der Zeitung, wie ein Mann eine Frau in Omis Alter schlecht behandelt hat und ich denke: „Zum Glück muss Omi sowas nicht erleben.“ Ich atme tief durch, denn ich bin froh, dass ich mir über solche Sachen keine Sorgen mehr machen muss.

Im Moment stricke ich viel. Irgendwie tut es mir gut, denn ich kann mich auf die Wolle und die Nadeln konzentrieren. Ich lese viel. Aber das Gefühl der Leere ist trotzdem stark. Ich denke oft: fast 40 gemeinsam Jahre sind nicht einfach in einem, zwei Monaten verschwunden. Es bleibt kompliziert.

„Wie gehts denn so bei der Arbeit?“

Es ist seltsam, Omi an Feiertagen zu besuchen. Gerade an Ostern fehlen mir unsere früheren Zusammenkünfte besonders. An Ostern versteckten Omi und Opa im Garten Osternester und andere Geschenke. Wir Kinder durften durch den erwachenden Garten ums Haus streifen und uns auf die Suche nach geheimnisvollen Dingen machen.

Ich bringe Omi einen kleinen Osterhasen und einen Sack voller Schoko-Eier mit. Sie mag Süsses in kleinen Portionen. Als wir ins Pflegeheim eintreten, sitzt Omi, wie immer im Fernsehzimmer. Sie döst und wirkt auf mich uralt und ein wenig wie eine russische Fürstin.

Omis lange Hände liegen auf der Decke. Die Füsse sind hochgelagert. Omi öffnet ihre Augen und sieht mich verträumt an. „Hallo“, sage ich. „Huhu“, brummelt sie. Sie sieht nicht zufrieden aus.

„Meine Enkelin besucht mich!“ sagt sie so laut, dass das bestimmt alle ihre Sitz- und Dösnachbarinnen mit und ohne Hörgerät mitbekommen.

Wir küssen uns. Ich streichle ihre Hand.
„Darf ich euch was anbieten?“ fragt sie ganz so, als wäre kein Tag zwischen meiner Kindheit und ihrem Umzug ins Heim vergangen. „Einen Kafi? Oder lieber eine Flasche Bier?“
Omi blickt uns amüsiert an.
„Nein danke. Wir hatten schon einen Kaffee. Zudem ist es erst gerade halb elf.“
„So!“ sagt Omi.

Wir reden über den Frühling, wie es Omi geht und wie es uns bei der Arbeit läuft. Bestimmt zum dritten Mal sagt Omi: „Jetzt erzählt mal, wie es euch beruflich so geht.“

Sascha und ich wollen noch essen gehen. Omi meint, sie würde gerne mitkommen. Es drückt mir fast das Herz ab. Ich sage: „Das ist keine gute Idee. Du kannst nur noch mit Rollator laufen. Du könntest stürzen und dich verletzen. Das ist mein absoluter Horror.“

Ich fühle mich mies, in dem Moment, wo ich das sage. Andere Leute schaffen es schliesslich auch, ihre Omas und Opas aus dem Pflegeheim abzuholen und einen lustigen Nachmittag zusammen zu verbringen. Da müsste ich doch das erst recht können.

Doch bevor ich mich weiter in schlechtes Gewissen vertiefe, fragt Omi: „Und, verzell? Wie gehts denn so bei der Arbeit?“

Unsere letzte Reise

Omi Paula und ich erlebten intensive Jahre, als sie sich noch an mich erinnern konnte.

2007 starb meine Mutter. Omi und ich wurden durch ihr Sterben noch mehr zusammengeschweisst, als wir es vorher schon waren. Wir telephonierten oft, sprachen über unsere Gefühle, die Trauer. Omi war so traurig, dass meine Mutter nicht mehr lebte. Aber sie trauerte nicht nur um ihre Tochter. Immer wieder betonte sie, wie schlimm es ist, wenn ein Kind die Mutter verliert.

Ich dachte damals, es ist schlimm, Mami verloren zu haben. Es ist überhaupt das Schlimmste, das mir je widerfahren ist. Ihr Tod hat mich völlig verändert. Aber ich dachte auch: ich hab ja noch mein Omi.

Omi und ich unternahmen viel. Wir besuchten ihr Grab, gingen einkaufen, trafen uns zum Kaffee. In der Adventszeit 2008 beschloss ich, mit Omi nochmals eine richtige Reise zu machen: ich wollte mit Omi nach Ulm an den Weihnachtsmarkt fahren.

Nun ist es eine wirkliche Herausforderung, mit einer 80jährigen Dame zu reisen. Omi ist ein Bewegungsmensch und es passte ihr nun überhaupt nicht, dass sie im Car ruhig herum sitzen musste. Sie jammerte, ass ein Gipfeli, trank Kaffee, schaute heraus.

Irgendwann waren wir da. Ulm.
Der Weihnachtsmarkt interessierte uns nicht wirklich.
Wir gingen ins Münster.
Omi betete.
Ich trank einen Glühwein, was Omi missbilligend kommentierte.
Ich kaufte in einer Confiserie Lavendelpralinen. Wir tranken Kaffee. Assen eine Wurst.Tranken noch mehr Kaffee. Omi kommentierte, dass die Deutsche Mark nicht mehr aussieht wie früher.
Und dann fuhren wir wieder ins tief verschneite Toggenburg zurück.

Ganz im Ernst: ich ahnte, dass dies das letzte Aufbäumen vor dem Vergessen war.
Aber wir habens genossen.
Vielleicht tue ich heute darum so schwer, an Weihnachtsmärkte zu gehen.
Omis kindliche Kommentare im Real Life fehlen mir.
Glühwein lieb ich noch immer.

übers Erinnern und Vergessen

Es gab eine Situation, da war ich noch ein kleines Mädchen. Ich war wütend, weil mir eine Lehrerin verboten hatte, über meinen toten Bruder zu sprechen. Ich konnte das nicht verstehen und war sehr enttäuscht, zumal ich diese Lehrerin besonders gerne mochte.

Zu meinen Eltern konnte ich mit dieser Sorge nicht gehen, denn ich wusste, dass sie traurig waren. Ich wollte nicht, dass meine Mutter deswegen anfängt zu weinen. Mein Vater sprach nicht gerne über meinen Bruder, also konnte ich auch mit ihm nicht sprechen.

Also rief ich Paula an.
Paula nahm meine Sorgen diesbezüglich immer sehr ernst und sie konnte wunderbar trösten.
Sie sagte: „Die Erinnerung an deinen Bruder kann dir niemand nehmen.“

Sie zeigte auf ihre Brust und sagte: „Weisst du, er lebt in deinem Herzen drin weiter, solange du lebst.“
Das leuchtete mir ein. Ich verstand auch, warum die Lehrerin so seltsam reagiert hatte. Sie hatte wohl keinen Bruder, der in ihrem Herzen lebte.

Morgen halte ich ein Referat übers Vergessen und Erinnern. Ich freue mich und bin dankbar für Omi, die mich so vieles darüber in den letzten Jahren gelehrt hat.

Zwei Jahre

Zwei Jahre ist es jetzt her, seit Paula aus ihrem Haus im Toggenburg ins Pflegeheim gezogen ist. Die Zeit verrinnt einfach so zwischen unseren Händen.

Paula leidet nicht mehr. Es geht ihr gut. Sie wird verwöhnt und man zeigt ihr jeden Tag aufs Neue, dass man sie gern hat. Die Pflegenden sind wirklich wunderbar. Als Angehörige habe ich das beruhigende Gefühl, dass Omi Paula einen guten Heimplatz hat.

Wenn ich dran denke, wie es mir vor zwei Jahren ging, bemerke ich, dass ich mich verändert habe. Ich grenze mich heute mehr ab. Ich sage meine Meinung, auch wenn sie anderen nicht passt. Das Haus gibt mir Kraft. Ich habe ein Ziel. Ohne Ziel wäre ich unglücklich.

Was mir zu schaffen macht, ist, dass der Hauskauf so langsam vonstatten geht. Alles geht langsam und ich bemerke, dass Geduld nun wirklich nicht meine Stärke ist. Dauerhaftes Warten zermürbt mich.

Ich habe einen grossen Teil von Paulas Haus geräumt. Lange konnte ich das nicht. Es war, als müsste alles so bleiben, wie es ist. Nun sehe ich klarer. Ich weiss, wovon ich mich trennen muss und will. Ich will dem Haus neues Leben einhauchen. Der Keller, mein zukünftiges Büro ist entschimmelt. Jetzt muss ich nur noch die sperrigen Möbel wegtun.

Paula weiss davon nichts. Oder besser: es ist unwichtig geworden für sie. Sie sitzt in ihrem Fernsehsessel, schaut fern, redet mit ihrem Mitbewohnern und freut sich, wenn ich komme. Auch wenn sie oftmals nicht mehr weiss, dass ich ihre Enkelin bin, erkennt sie mich doch.

Sie wirkt zerbrechlicher, so wie sehr alte Menschen nun mal sind. Noch immer ist sie ein Mensch, der Zärtlichkeit mag und braucht. Eine Umarmung, ein Kuss, ein Festdrücken ist ein Muss.

Ihre Augen leuchten noch immer schelmisch. Auch ihren wunderbaren Humor hat sie wiedergefunden. Sie erinnert mich dabei sehr oft an Uschi, meine Mutter. Omi ist kindlich, ohne kindisch zu sein. Sie ist weise, ohne es zu wissen.