Vom Trost des Waldes

Die nächsten paar Wochen werden emotional für mich: Am 2. September ist der 68. Geburtstag meiner Mutter. Sie ist seit bald 12 Jahren tot. Natürlich frage ich mich, wie es jetzt wäre, mit ihr zusammen zu sitzen, ihr von meinem Leben zu erzählen und zu hören, was sie darüber denkt.

Als sie noch mitten in ihrem Leben stand, wusste ich nicht, was sie von mir hält. Wir waren uns nie so wirklich nah. Oftmals hatte ich als Teenager das Gefühl, ich sei für sie eine Fremde, zwar ihre Tochter, aber nicht mehr. Mit 42 sehe ich das etwas anders. Sie war keine Frau der grossen Worte. Sie war ein sehr verletzlicher, nach aussen harter Mensch. Erst in ihren letzten Lebenswochen lernte ich sie wirklich kennen. Diesen Menschen vermisse ich sehr. Wir sind uns ähnlich.

Am 17. September ist der 40. Geburtstag meines Bruders Sven und drei Tage später sein Todestag. Seit ich mich erinnern kann, spreche ich in seinem Fall Geborenwerden und Sterben in einem Satz aus. Ich will’s auch gar nicht anders. Wenn in meinem Freundinnenkreis die Frauen schwanger werden, verspüre ich diese dumpfe Angst. Dass etwas schlimmes passiert. Denn das, was meiner Mutter (und meinem Bruder) passiert ist, wünsche ich niemandem.

Wenn mein Bruder noch leben würde, dann würden wir wohl an seinem Geburtstag übelst feiern, denn das tun wir alle in dieser Familie. Wir versammeln unsere Freunde um uns, verpflegen sie, lachen und umarmen uns. Ich bin mir sicher, bei ihm wäre das genau so.

Nun lebt meine Mutter nicht mehr und nur noch mein Vater wird sich daran erinnern können, wie es war, für drei Tage einen Sohn namens Sven zu haben. Ich weiss nicht, wie es für meinen Vater ist, zum 40. Mal daran zu denken. Omi und ich haben jedes Jahr, solange sie sich an uns erinnern konnte, an Sven gedacht. Sie pflegte zu mir zu sagen: “Wir sind traurig, dass er nicht mehr da ist. Aber denk daran: Er hat einmal gelebt.”

Vor einigen Tagen bin ich, im Rahmen meiner Jagdausbildung, auf ein Buch über den Wald gestossen. Seit frühester Kindheit fühle ich mich in Wäldern, inmitten von Nadelbäumen und Buchen geborgen.

Ich las folgende Zeilen: “Ein erwachsener Baum ist einer von wenigen Überlebenden aus einer Vielzahl kleiner Bäume, die im Verlauf der Jahrzehnte verschwunden sind. Wenn auf einem Waldstück hundert grosse Bäume übrig geblieben sind, heisst das, dass dort einst Millionen von Samen ausgestreut wurden, dass daraus dicht beisammen Hunderttausende von Keimlingen und schliesslich Tausende kleiner Bäume gewachsen sind… […] Der Baum, der weder flüchten noch sein verletztes Gewebe ersetzen kann, ist das getreue Archiv all der Ereignisse, die er in seiner unmittelbaren Umgebung erlebt hat.”

Als ich das las, musste ich weinen, denn genau so fühlt es sich an. Ich lebe, ich erinnere mich und weiss, dass er einmal da war. Ich trage Narben auf meiner Haut und in meinem Inneren, die Spuren meines Erwachsenwerdens. Dieses Bild des Waldes, der lebt und gleichzeitig vergeht, spendet mir Trost.

Da sitze ich nun

Da sitze ich nun, liebe Mutter und denke an dich.
Ich bin bald nicht mehr 40 Jahre alt und vermisse
dich dennoch so sehr wie damals, als ich noch ein Kind war.

Wir sind uns ähnlich, besonders jetzt, da ich älter werde.
Deine Stimme höre ich oft, wenn ich wütend spreche.
Doch im Gegensatz zu dir bin ich nicht mit dunklen Haaren gesegnet.
Ich bin dunkelblond. Und das macht die Sache schwieriger.
Genau gleich gross wie du damals und
wahrscheinlich etwas runder.

Ich bin meinem Vater aus dem Gesicht geschnitten.
Die Augen. Die Gesichtsform. Die Zähne. Unverkennbar ein Debrunner.
Doch der Rest ist von dir.
Das Herz. Der Körper. Die Stimme.

Wir beide liebten das Schreiben. Wenn ich heute deine wütenden
Texte lese und mich an all jene erinnere, die verschwunden sind, möchte ich
weinen. In der Sprache, da sind wir uns so ähnlich, mehr noch als Tochter und Mutter, Freundinnen.
Du nahmst nie ein Blatt vor den Mund und schon gar nicht erst vor den Kugelschreiber!

Als du so alt warst wie ich, warst du fünf Mal schwanger und hast
längstens drei Kinder geboren. Du liebtest Kochen und Handarbeiten und
Filme. Dank dir habe ich so viele Filme aus den 30ern, 40ern und 50ern kennengelernt.

Manchmal bin ich schrecklich eifersüchtig, wenn ich Mütter in deinem Alter
mit ihren Töchtern sehe und wünschte mir, du wärest noch da. Würdest mich stolz ansehen.
Ich weiss noch, als wenn es heute wäre, wie du gewettert hast, dass ich mir so viele Tage mit meiner Geburt Zeit gelassen habe. Du wolltest mich am 7.7.77 zur Welt bringen, aber ich
hab dir damals einen ziemlich miesen Strich durch deine Rechnung gemacht. Es tut mir nicht leid,
denn mein Geburtsdatum gefällt mir besser.

Dennoch vermisse ich dich von ganzem Herzen und denke an dich, besonders an meinem Geburtstag, aber auch sonst. Du meine liebe Mutterfrau.

Sei.

In einigen Tagen, am 6. Mai, ist Omis 90ster Geburtstag. Ich hätte ihn so gerne mit ihr gefeiert. Sie fehlt mir sehr, besonders jetzt im Frühling.

Omi war bei meiner Geburt 49 Jahre alt, ein klein wenig älter als ich jetzt. Meine Mutter bekam sie mit 23 Jahren. Als ich 23 war, dachte ich gerade darüber nach, einen zweiten Beruf zu erlernen. Omi hat nie eine Lehre gemacht.

Ich gehe durch unser Haus. Es sieht nach uns aus. Doch immer wieder denke ich an sie, rieche ihren Duft. Frage mich, was sie von alledem hält, was wir hier so schaffen. Mein Omi. Alles ist anders, doch noch immer steckt viel von ihr in diesen Wänden.

Mein Berufsleben hat sich irgendwie verändert. Immer wieder werde ich angefragt, über unsere Erfahrungen mit Demenz, meine Erlebnisse als Angehörige zu erzählen. Ich denke: ich bin doch erst 40 Jahre alt. Demenz ist doch so weit fort von allem, in meinem Alter.

Omi sagte so Dinge wie: „Es ergibt sich immer ein Weg. Du brauchst nur den Mut, ihn zu gehen. Du bist nie alleine.“

Die Erfahrung, zwei Menschen bis in den Tod zu begleiten, hat mich nachhaltig verändert. Ich bin nicht mehr die Gleiche. Vielleicht bin ich heute mehr den je die Person, die ich sein werde.

Weihnachten 2015

Seit Februar 2015 lebe ich in diesem meinem Haus. Wir sind uns näher gekommen. Ich kenne seine Ecken, selbst die verborgenen. Dank den verwinkelten Räumen habe ich meine Omi und meine Urgrosseltern noch besser kennen gelernt. Ich bin dankbar für all die Grüsse aus früheren Zeiten.

Unser Sommer war geprägt von Umbau und Re-Novation und Hitze. Die Fensterläden sind frisch gestrichen. Ich bin gespannt, wie sie nach diesem Winter aussehen.

Noch vor einem Jahr wagte ich nicht daran zu glauben, dass ich einst hier leben würde. Ich bin glücklich. Ich bin glücklich, obwohl der Boilerinhalt noch nicht mal für ein Vollbad reicht. Ich bin glücklich, weil unser Garten voll von Vögeln ist. Der Bach macht mich mit seinem Getose glücklich, seine Forellen erst recht.

Ich geniesse die Sonnenstunden. Das Toggenburg ist für mich meine Sonnenstube.

Das Städtchen gefällt mir sehr. Die Menschen sind so herzlich und liebevoll. Ich geniesse jedes Fest, jede Jahreszeit, jede Begegnung. Mein Städtchen ist so sehr un-thurgauisch, dass es mir fast wehtut. Ich mag den Zungenschlag der Toggenburger, ihr Lächeln, das neckische Strahlen ihrer Augen.

Was mich mit meiner alten Heimat verbindet?
Die Thur. Sie fliesst, nur wenige Meter unter meinem Haus durch. Sie begleitet mich auf meinem Arbeitsweg und sie ist, mehr denn je, der Pulsmesser meines Lebens. Ich mag ihr Wasser, ihre Kraft. Ich liebe ihre Farben, ihre Fülle.

Vor einem Jahr, noch vor zwei Jahren habe ich mich so sehr danach gesehnt, endlich hier zu leben. Die Weihnachtszeit erschien mir schon als Kind besonders schön im Toggenburg. Hier war immer alles gut.

Vom Glück des Älterwerdens

Vor einigen Tagen las ich einen Beitrag im inspirierenden Blog von Jrene Rolli. Das Glück vom Erwachsenwerden. Der Text hat mich die letzten Tage über eng begleitet.

Als ich 30 Jahre alt wurde, dachte ich: Deine Kindheit und deine Pubertät hast du überlebt. Die Narben sind sichtbar. Jetzt kanns nur noch besser kommen. Eine Woche nach meinem 30sten Geburtstag kam meine Mutter ins Spital. Ihr blieben drei Monate.

Ich bin nun fast 38 Jahre alt. Ihr Tod ist bald acht Jahre her. Ich fühle mich zwar jünger, doch die Zeichen der Zeit sind sichtbar. Der Tod meiner Mutter hat mich mehr mitgenommen, als ich zunächst zugeben wollte.

Dennoch bin ich dankbar für diese Zeit. Anteilnehmen am Leben und am Sterben eines Menschen, verzehrt Energie, gibt aber auch neue Kraft. Nie werde ich die Worte meiner Mutter im Pflegeheim vergessen: „Lebe!“ oder „Kleide dich in Farben. Trag nicht immer Schwarz!“ oder „Geniess dein Leben. Du hast nur dieses eine!“

Meine Mutter hat das Leben geliebt. Dank ihr hab ich meines bekommen. Die Begleitung ihrer letzten Wochen hat mein eigenes Leben intensiviert. Erwachsenwerden im Schnelldurchlauf, sozusagen.

Nach ihrem Tod war ich am Boden zerstört. Ich musste lernen, meine Trauer zuzulassen. Zu weinen. Über meine eigenen Grenzen zu sprechen.

Ihr Sterben hat mich sensibilisiert für die Lebenssituationen anderer Menschen. Ich spüre heute sehr viel besser, wie es anderen geht, gerade in Trauersituationen, weil ich selber die Sprachlosigkeit und die Verzweiflung erlebt habe. Sätze wie „es ist nicht so schlimm“ oder „das geht schon vorbei“ hab ich selber oft gehört, über meine Lippen jedenfalls kommen sie nicht.

Seit ihrem Tod habe ich den Mut gefunden, mich bunt zu kleiden. Ich trage wieder Ohrringe, schminke mich. Ich bin langsam zu meinem Ich geworden.

Die Tatsache, dass ich keine Kinder geboren habe, ist für einige meiner Mitmenschen ein trauriger Fakt. Ich jedoch sehe das nicht so eng. Die Pflege und Begleitung von Omi Paula scheint mir genau so anspruchsvoll und wichtig zu sein wie die Erziehung eines eigenen Kindes. Das Schreiben von Büchern hat ebenfalls was von Schwangerschaft und Gebären. Mein Körper mag vielleicht kein Kind in sich getragen haben, mein Kopf jedoch war mehr als einmal schwanger mit Gedanken, Buchplots und Dialogen.

Was bleibt ist die Gewissheit, dass Altern trotz der körperlichen Vergänglichkeit etwas Schönes inne hat. Man besinnt sich auf sich selbst, vertraut und liebt sich selber.

Vom Thurgauer Herbst

Der Thurgauer Herbst fängt an und ich hab das Gefühl, dass ich ihn besonders geniessen muss. Schliesslich werde ich in einem Jahr nicht mehr in dieser Gegend wohnen.

Früher hätte ich nie gedacht, dass ich einmal bereit wäre, von meines Vaters Heimat fortzugehen. Thurgauerin bin ich von Geburt her. Zwar bin ich im Kanton St. Gallen geboren, aber gelebt habe ich fast immer nur hier. Als ich mit 16 in die Romandie fuhr, was ich selber gewählt hatte, verspürte ich schreckliches Heimweh.

Aber nun, mit 37, ist die Sehnsucht nach dem Toggenburg stärker. Ich möchte im Haus wohnen. Der Arbeitsweg ist mir egal. Ich sehne mich nach der Sonne, den Bergen, dem kühlen Wind, der fremden Sprache.

Die Thurgauer Seite meiner Familie hat sich immer etwas lustig über die Toggenburger Seite gemacht. „Sie hät halt en huere Toggäburger Grind“, hiess es. Das bedeutet, dass jemand stur ist und seinen eigenen Weg geht. Den Toggenburgern bleibt ja auch nichts anderes übrig.

Wenn man im Thurtal lebt, ist die offene Landschaft Segen und Fluch zugleich. Der zähe Thurgauer Nebel schlägt aufs Gemüt. Ab September stinkts rund um Frauenfeld nach Zuckerrüben, dass es einem Fremden fast übel wird. Wir hier aber atmen den Duft ein und wissen, bald ist es Winter.

Der Untersee ist nahe und im Sommer wähnt man sich am Meer. Im Toggenburg wohnt man am Fusse des Säntis. Die Berge prangen in der Nähe. Der Schnee ist ab November ein guter Freund. Die Verbindung zwischen Toggenburg und Thurgau ist die Thur. Die Eilende. Hier im Toggenburg oben ist sie wild und bezähmt. Im Thurgau hingegen fliesst sie brav und still vor sich hin. Nur bei Unwettern zeigt sie ihr wahres Gesicht.

Das Haus ist mein Angelpunkt. Es liegt an einem der vielen Zuflüsse der Thur. Omi Paula lebt nur zwei Dörfer weiter. Egal, was passiert, hier oben bin ich den meinen näher. Auf dem Friedhof liegen sie alle und ich möchte mehr als nur die Gräber bepflanzen und wieder in den Nebel zurückkehren. Ich will hier leben.

Sehnsucht

Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht ans Toggenburg denke. Mir scheint, als würde ich mich langsam von meinem geliebten Thurgau ablösen. Wenn ich der Thur entlang fahre, denke ich dran, dass weiter oben an ihrem Lauf mein baldiges Haus steht.

Bald ist Herbst. September ist der strengste Monat von allen. Ich will nicht viel Zeit zum Nachdenken haben. Dieses Jahr ist der 35ste Geburtstag und der 35ste Todestag meines Bruders. Ich habe mich noch nicht mal an sein Grab getraut aus Angst, dass es nicht mehr da ist.

ich versuche, ihn zu ersetzen. Eine Freundin hat mir gesagt: es kann doch nicht sein, dass ein Baby dein Leben so in Bann hält. Ich hege die Hoffnung, dass ich im Toggenburg mein Haus einrichten kann. So ein Haus ist wie ein Kind. Es will gehegt, gepflegt und geliebt werden. Ich will endlich wieder in der Natur leben. Einen Garten haben. Die Rosen schneiden. Laub kehren. Den Igel und die Krähen erwarten.

Ich möchte eine Tanne im Garten pflanzen, einen Magnolienbaum und einen Apfelbaum. Ich freue mich so sehr auf den Frühling, die Blüten, die Farben und den Geruch. Ich möchte endlich wieder Primeln sehen.

Ich freu mich so auf die brütenden Spatzen, hoffe, einen Fuchs ums Haus schleichen zu sehen.

Heute morgen früh um viertel nach sechs sah ich ein Reh. Es lief ganz langsam über ein braches Feld. Ich hielt an. Wir beäugten uns. Ich wollte es fotografieren, doch dann dachte ich, dass dieser Moment uns gehört. Das Reh lief bedächtig über die Strasse und blieb einfach stehen. Es schien keine Angst zu haben. Bevor es im Wald verschwand, drehte es sich um und warf mir einen letzten Blick zu.

Nervosität hoch zwei

Mein Nervositätspegel steigt unaufhörlich. Bereits am Donnerstagmorgen fliege ich nach Köln. Das ist das mittlerweile vierte Mal in meinem Leben, dass ich fliege und das dritte Mal innerhalb weniger Wochen. Ich war noch nie in meinem ganzen Leben an einem Anlass wie der Preisverleihung des Grimme Online Awards. Natürlich nicht. Denn eigentlich ist mein Leben ein anderes.

Wirklich schön sind die guten Worte jener Menschen, die mich gerne haben und mir Glück wünschen. Da ist meine Kosmetikerin, die mich seit Jahren toll berät. Meine Nachbarinnen, die für mich wie Schwestern sind, meine ArbeitskollegInnen und Freunde und Freundinnen, die mir feste die Daumen drücken und mich im Alltag so stützen.

Doch neben all der Euphorie sind meine Gedanken bei Paula. Wie es ihr wohl ergeht, während ich nicht da bin? Vermisst sie mich? Was ist, wenn…?

Ich schiebe die Gedanken weg. Ich informiere Omis Beistand, dass ich vier Tage lang im Ausland bin. Für alle Fälle.
Zu gerne würde ich Omi anrufen und ihr davon erzählen. In früheren Zeiten hätte sie Dinge gesagt wie: „Ach, mein Schatz. Du machst das schon. Ich bin so oder so stolz auf dich. Ich hab dich lieb. Vergiss mich nicht!“

Natürlich vergesse ich sie nicht. Denn der Grund, warum ich überhaupt in diese ferne Stadt Köln fahren darf, ist meine Oma. Und ausgerechnet ihr kann ich es nicht erzählen.

Ich muss auch gerade jetzt im Moment an meine Mutter denken. Als 2006 die Uraufführung eines Theaterstücks stattfand, an dessen Buch ich mitgeschrieben hatte, war sie sehr gerührt und sehr stolz. Damals hätte ich nicht gedacht, dass sie bereits ein Jahr später nicht mehr an meiner Seite ist.

Stattdessen werde ich meinen Vater und seine Frau anrufen. Denn sie sind noch da.

Hausträume

Letzte Nacht träumte ich mal wieder einen jener absolut verwirrenden Träume vom Haus.

Ich half Sachen aus dem Haus tragen. Es sollte geräumt werden. Eine grosse Mulde, Lastwagen standen vor dem Eingang, und das, obwohl kein Durchkommen durch die schmale Gasse wäre!

Seltsames geschieht: an mir fliegen Trachten, Herrenanzüge, Sommerkleider aus längst vergangenen Zeiten vorbei. Sie scheinen lebendig, stehen aber doch nur für die Geister meiner Vorfahren. Ich bin irritiert.

Dann bemerke ich, was im Traum geschieht: das Haus wird an jemand anderen als mich verkauft. Alles wühlt sich auf.

Die Sehnsucht ist gross.
Ich sehne mich nach den Schneeglocken im Garten. Ich will den Tulpen beim Wachsen zusehen. Ich träum davon, mich mit der Katze an der Sonne zu aalen. Ich will in meinem Büro unter der Treppe sitzen und schreiben. Sogar den Estrich will ich erforschen. (ich hoffe, da sind nicht zu viele Spinnen!)

Ich würde gerne in der Küche für Freunde kochen. Im Garten grillieren. Hühner züchten, Zucchetti essen aus eigenem Anbau.

Doch jetzt sehe ich zu, wie die Gartenbank meiner Urgrosseltern langsam verfault. Die Wiese wächst. Die Hortensien werden blühen. Sie tun es ohne mich. Ich steh daneben und neben mir. Das nicht-dortsein verfolgt mich bis in die Träume und raubt mir meine Zufriedenheit.

Warum nur?
Wie kann es sein, dass ich so tiefe Sehnsucht nach diesem einen Haus habe?

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